durch Vernunftschlüsse und Vergleichungen, son- dern noch durch Herkommen; und da hat doch das Volk, dessen Sprache die älteste Tochter ist von der abgestorbnen, oder vielmehr selbst noch Mut- ter, nur durch die Zeit verändert und ver- wandelt, das nächste Recht zur Erklärung. Kein auswärtiger Bücherheld wird mit seinem bloßen Buchstabieren auch je dem Runden und Lebendi- gen desselben bey Lesung der übriggebliebnen Denk- male gleich kommen.
Vom Neugriechischen bracht ich Ardinghel- lon sehr bald alles bey, was zum täglichen Leben gehört; ob es gleich von dem alten noch mehr abweicht, als das Italiänische von dem Lateini- schen. Die neuern Griechen haben für die ge- meinsten Sachen andre Wörter, als Brod, Wein, und so weiter. In einem Theil von Thessalien ist es fast Wallachisch, halb latein und türkisch. Der Mundarten sind vielleicht mehr als bey den Alten; und so gehts mit der Aussprache. Die
jetzi-
durch Vernunftſchluͤſſe und Vergleichungen, ſon- dern noch durch Herkommen; und da hat doch das Volk, deſſen Sprache die aͤlteſte Tochter iſt von der abgeſtorbnen, oder vielmehr ſelbſt noch Mut- ter, nur durch die Zeit veraͤndert und ver- wandelt, das naͤchſte Recht zur Erklaͤrung. Kein auswaͤrtiger Buͤcherheld wird mit ſeinem bloßen Buchſtabieren auch je dem Runden und Lebendi- gen deſſelben bey Leſung der uͤbriggebliebnen Denk- male gleich kommen.
Vom Neugriechiſchen bracht ich Ardinghel- lon ſehr bald alles bey, was zum taͤglichen Leben gehoͤrt; ob es gleich von dem alten noch mehr abweicht, als das Italiaͤniſche von dem Lateini- ſchen. Die neuern Griechen haben fuͤr die ge- meinſten Sachen andre Woͤrter, als Brod, Wein, und ſo weiter. In einem Theil von Theſſalien iſt es faſt Wallachiſch, halb latein und tuͤrkiſch. Der Mundarten ſind vielleicht mehr als bey den Alten; und ſo gehts mit der Ausſprache. Die
jetzi-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0068"n="62"/>
durch Vernunftſchluͤſſe und Vergleichungen, ſon-<lb/>
dern noch durch Herkommen; und da hat doch das<lb/>
Volk, deſſen Sprache die aͤlteſte Tochter iſt von<lb/>
der abgeſtorbnen, oder vielmehr ſelbſt noch Mut-<lb/>
ter, nur durch die Zeit veraͤndert und ver-<lb/>
wandelt, das naͤchſte Recht zur Erklaͤrung. Kein<lb/>
auswaͤrtiger Buͤcherheld wird mit ſeinem bloßen<lb/>
Buchſtabieren auch je dem Runden und Lebendi-<lb/>
gen deſſelben bey Leſung der uͤbriggebliebnen Denk-<lb/>
male gleich kommen.</p><lb/><p>Vom Neugriechiſchen bracht ich Ardinghel-<lb/>
lon ſehr bald alles bey, was zum taͤglichen Leben<lb/>
gehoͤrt; ob es gleich von dem alten noch mehr<lb/>
abweicht, als das Italiaͤniſche von dem Lateini-<lb/>ſchen. Die neuern Griechen haben fuͤr die ge-<lb/>
meinſten Sachen andre Woͤrter, als Brod, Wein,<lb/>
und ſo weiter. In einem Theil von Theſſalien<lb/>
iſt es faſt Wallachiſch, halb latein und tuͤrkiſch.<lb/>
Der Mundarten ſind vielleicht mehr als bey den<lb/>
Alten; und ſo gehts mit der Ausſprache. Die<lb/><fwplace="bottom"type="catch">jetzi-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[62/0068]
durch Vernunftſchluͤſſe und Vergleichungen, ſon-
dern noch durch Herkommen; und da hat doch das
Volk, deſſen Sprache die aͤlteſte Tochter iſt von
der abgeſtorbnen, oder vielmehr ſelbſt noch Mut-
ter, nur durch die Zeit veraͤndert und ver-
wandelt, das naͤchſte Recht zur Erklaͤrung. Kein
auswaͤrtiger Buͤcherheld wird mit ſeinem bloßen
Buchſtabieren auch je dem Runden und Lebendi-
gen deſſelben bey Leſung der uͤbriggebliebnen Denk-
male gleich kommen.
Vom Neugriechiſchen bracht ich Ardinghel-
lon ſehr bald alles bey, was zum taͤglichen Leben
gehoͤrt; ob es gleich von dem alten noch mehr
abweicht, als das Italiaͤniſche von dem Lateini-
ſchen. Die neuern Griechen haben fuͤr die ge-
meinſten Sachen andre Woͤrter, als Brod, Wein,
und ſo weiter. In einem Theil von Theſſalien
iſt es faſt Wallachiſch, halb latein und tuͤrkiſch.
Der Mundarten ſind vielleicht mehr als bey den
Alten; und ſo gehts mit der Ausſprache. Die
jetzi-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/68>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.