Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

chischen Meister eine Frucht ihrer Gymnasien
waren; und daß, wo diese nicht sind, sie schwer-
lich kann eingeärndtet werden. Der erfahrne
und geübte Sinn des ganzen Volks am Nacken-
den, dieß ist die Hauptsache, die uns fehlt, nebst
dem der Arbeiter selbst; das schönste Nackende
der Kunst wird endlich nur durch Erinnerung
geschaffen und genossen.

Man kann die Natur nicht abschreiben;
sie muß empfunden werden, in den Verstand
übergehen, und von dem ganzen Menschen wie-
der neu gebohren werden. Alsdenn kommen
allein die bedeutenden Theile und lebendigen For-
men und Gestalten heraus, die das Herz ergreif-
fen und die Sinnen entzücken; die Regung in
vollstimmiger Einheit durch den ganzen Körper
des gegenwärtigen Augenblicks bildet kein bloßer
Fleiß nicht. Je größer und erhabner der Künst-
ler: desto edler und eingeschränkter die Auswahl.

Im

chiſchen Meiſter eine Frucht ihrer Gymnaſien
waren; und daß, wo dieſe nicht ſind, ſie ſchwer-
lich kann eingeaͤrndtet werden. Der erfahrne
und geuͤbte Sinn des ganzen Volks am Nacken-
den, dieß iſt die Hauptſache, die uns fehlt, nebſt
dem der Arbeiter ſelbſt; das ſchoͤnſte Nackende
der Kunſt wird endlich nur durch Erinnerung
geſchaffen und genoſſen.

Man kann die Natur nicht abſchreiben;
ſie muß empfunden werden, in den Verſtand
uͤbergehen, und von dem ganzen Menſchen wie-
der neu gebohren werden. Alsdenn kommen
allein die bedeutenden Theile und lebendigen For-
men und Geſtalten heraus, die das Herz ergreif-
fen und die Sinnen entzuͤcken; die Regung in
vollſtimmiger Einheit durch den ganzen Koͤrper
des gegenwaͤrtigen Augenblicks bildet kein bloßer
Fleiß nicht. Je groͤßer und erhabner der Kuͤnſt-
ler: deſto edler und eingeſchraͤnkter die Auswahl.

Im
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0403" n="397"/>
chi&#x017F;chen Mei&#x017F;ter eine Frucht ihrer Gymna&#x017F;ien<lb/>
waren; und daß, wo die&#x017F;e nicht &#x017F;ind, &#x017F;ie &#x017F;chwer-<lb/>
lich kann eingea&#x0364;rndtet werden. Der erfahrne<lb/>
und geu&#x0364;bte Sinn des ganzen Volks am Nacken-<lb/>
den, dieß i&#x017F;t die Haupt&#x017F;ache, die uns fehlt, neb&#x017F;t<lb/>
dem der Arbeiter &#x017F;elb&#x017F;t; das &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te Nackende<lb/>
der Kun&#x017F;t wird endlich nur durch Erinnerung<lb/>
ge&#x017F;chaffen und geno&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Man kann die Natur nicht ab&#x017F;chreiben;<lb/>
&#x017F;ie muß empfunden werden, in den Ver&#x017F;tand<lb/>
u&#x0364;bergehen, und von dem ganzen Men&#x017F;chen wie-<lb/>
der neu gebohren werden. Alsdenn kommen<lb/>
allein die bedeutenden Theile und lebendigen For-<lb/>
men und Ge&#x017F;talten heraus, die das Herz ergreif-<lb/>
fen und die Sinnen entzu&#x0364;cken; die Regung in<lb/>
voll&#x017F;timmiger Einheit durch den ganzen Ko&#x0364;rper<lb/>
des gegenwa&#x0364;rtigen Augenblicks bildet kein bloßer<lb/>
Fleiß nicht. Je gro&#x0364;ßer und erhabner der Ku&#x0364;n&#x017F;t-<lb/>
ler: de&#x017F;to edler und einge&#x017F;chra&#x0364;nkter die Auswahl.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Im</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[397/0403] chiſchen Meiſter eine Frucht ihrer Gymnaſien waren; und daß, wo dieſe nicht ſind, ſie ſchwer- lich kann eingeaͤrndtet werden. Der erfahrne und geuͤbte Sinn des ganzen Volks am Nacken- den, dieß iſt die Hauptſache, die uns fehlt, nebſt dem der Arbeiter ſelbſt; das ſchoͤnſte Nackende der Kunſt wird endlich nur durch Erinnerung geſchaffen und genoſſen. Man kann die Natur nicht abſchreiben; ſie muß empfunden werden, in den Verſtand uͤbergehen, und von dem ganzen Menſchen wie- der neu gebohren werden. Alsdenn kommen allein die bedeutenden Theile und lebendigen For- men und Geſtalten heraus, die das Herz ergreif- fen und die Sinnen entzuͤcken; die Regung in vollſtimmiger Einheit durch den ganzen Koͤrper des gegenwaͤrtigen Augenblicks bildet kein bloßer Fleiß nicht. Je groͤßer und erhabner der Kuͤnſt- ler: deſto edler und eingeſchraͤnkter die Auswahl. Im

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/403
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/403>, abgerufen am 23.11.2024.