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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

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möcht ein Gott mehr daran haben, wenn sie mit
Haut und Haar so wären, wie sie selbst; welches
jedoch menschlicher Hand unmöglich: aber ein
Sterblicher muß eine gigantische Einbildung von
seinem physiognomischen Sinn haben, um dieß
zu wollen. Ein solcher versuch es einmal, und
ersetz uns aus dem übriggebliebnen Kopfe des
Sophokles seine hundert verlorne Trauerspiele!"

"Man schaue einen Sokrates an, einen
Plato, einen Euripides: wer wird ihre Mar-
morbüsten für ihre lebendigen Reden und Ge-
dichte nicht gleich weggeben? Wir können an
uns selbst nicht im Spiegel wahrnehmen, auch
in dem nehmlichen Moment, was wir denken
und empfinden; und so gar verschiedne Leiden-
schaften zeigen sich bis auf ihre hohen Grade im
Gesicht überein. Die ganze bildende Kunst ist
ein vages unbestimmtes Wesen, das seinen Haupt-
werth eigentlich von der Schönheit der Formen
und Umrisse enthält; und dann außerwesentlich

ist
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moͤcht ein Gott mehr daran haben, wenn ſie mit
Haut und Haar ſo waͤren, wie ſie ſelbſt; welches
jedoch menſchlicher Hand unmoͤglich: aber ein
Sterblicher muß eine gigantiſche Einbildung von
ſeinem phyſiognomiſchen Sinn haben, um dieß
zu wollen. Ein ſolcher verſuch es einmal, und
erſetz uns aus dem uͤbriggebliebnen Kopfe des
Sophokles ſeine hundert verlorne Trauerſpiele!“

„Man ſchaue einen Sokrates an, einen
Plato, einen Euripides: wer wird ihre Mar-
morbuͤſten fuͤr ihre lebendigen Reden und Ge-
dichte nicht gleich weggeben? Wir koͤnnen an
uns ſelbſt nicht im Spiegel wahrnehmen, auch
in dem nehmlichen Moment, was wir denken
und empfinden; und ſo gar verſchiedne Leiden-
ſchaften zeigen ſich bis auf ihre hohen Grade im
Geſicht uͤberein. Die ganze bildende Kunſt iſt
ein vages unbeſtimmtes Weſen, das ſeinen Haupt-
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[373/0379] moͤcht ein Gott mehr daran haben, wenn ſie mit Haut und Haar ſo waͤren, wie ſie ſelbſt; welches jedoch menſchlicher Hand unmoͤglich: aber ein Sterblicher muß eine gigantiſche Einbildung von ſeinem phyſiognomiſchen Sinn haben, um dieß zu wollen. Ein ſolcher verſuch es einmal, und erſetz uns aus dem uͤbriggebliebnen Kopfe des Sophokles ſeine hundert verlorne Trauerſpiele!“ „Man ſchaue einen Sokrates an, einen Plato, einen Euripides: wer wird ihre Mar- morbuͤſten fuͤr ihre lebendigen Reden und Ge- dichte nicht gleich weggeben? Wir koͤnnen an uns ſelbſt nicht im Spiegel wahrnehmen, auch in dem nehmlichen Moment, was wir denken und empfinden; und ſo gar verſchiedne Leiden- ſchaften zeigen ſich bis auf ihre hohen Grade im Geſicht uͤberein. Die ganze bildende Kunſt iſt ein vages unbeſtimmtes Weſen, das ſeinen Haupt- werth eigentlich von der Schoͤnheit der Formen und Umriſſe enthaͤlt; und dann außerweſentlich iſt A a 3

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Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/379>, abgerufen am 22.11.2024.