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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

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tung in der Wirklichkeit selbst ansehen wol-
len."

"Wenn das Kunstwerk eine Geschichte dar-
stellen soll: so muß der Ausdruck herrschen; denn
dieser ist alsdenn der Hauptzweck, und Schön-
heit in Stellung und Formen und Gestalten
muß hier der Wahrheit aufgeopfert werden. Al-
lein Geschichte, Scenen aus Dichtern bleiben
immer die letzten Vorwürfe der bildenden Kunst;
weil sie dieselben nie ganz, und nie so mit dem
ergreiffenden Leben darstellen kann, wie ein He-
rodot und Homer. Der bildende Künstler begiebt
sich außerdem von selbst schon hierbey ganz unter
den Geschichtschreiber und Dichter, und schaft als
Gehülfe zu dessen Leben und Bewegung nur die
Körper alsdenn; augenscheinlich hat dieser das
Ganze, und er nur den Theil."

"Die alten Künstler wagten es außerdem
nicht, den Kern von manchen tragischen Geschich-
ten darzustellen, weil sie bloß das Grausame wür-

den

tung in der Wirklichkeit ſelbſt anſehen wol-
len.“

„Wenn das Kunſtwerk eine Geſchichte dar-
ſtellen ſoll: ſo muß der Ausdruck herrſchen; denn
dieſer iſt alsdenn der Hauptzweck, und Schoͤn-
heit in Stellung und Formen und Geſtalten
muß hier der Wahrheit aufgeopfert werden. Al-
lein Geſchichte, Scenen aus Dichtern bleiben
immer die letzten Vorwuͤrfe der bildenden Kunſt;
weil ſie dieſelben nie ganz, und nie ſo mit dem
ergreiffenden Leben darſtellen kann, wie ein He-
rodot und Homer. Der bildende Kuͤnſtler begiebt
ſich außerdem von ſelbſt ſchon hierbey ganz unter
den Geſchichtſchreiber und Dichter, und ſchaft als
Gehuͤlfe zu deſſen Leben und Bewegung nur die
Koͤrper alsdenn; augenſcheinlich hat dieſer das
Ganze, und er nur den Theil.“

„Die alten Kuͤnſtler wagten es außerdem
nicht, den Kern von manchen tragiſchen Geſchich-
ten darzuſtellen, weil ſie bloß das Grauſame wuͤr-

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[363/0369] tung in der Wirklichkeit ſelbſt anſehen wol- len.“ „Wenn das Kunſtwerk eine Geſchichte dar- ſtellen ſoll: ſo muß der Ausdruck herrſchen; denn dieſer iſt alsdenn der Hauptzweck, und Schoͤn- heit in Stellung und Formen und Geſtalten muß hier der Wahrheit aufgeopfert werden. Al- lein Geſchichte, Scenen aus Dichtern bleiben immer die letzten Vorwuͤrfe der bildenden Kunſt; weil ſie dieſelben nie ganz, und nie ſo mit dem ergreiffenden Leben darſtellen kann, wie ein He- rodot und Homer. Der bildende Kuͤnſtler begiebt ſich außerdem von ſelbſt ſchon hierbey ganz unter den Geſchichtſchreiber und Dichter, und ſchaft als Gehuͤlfe zu deſſen Leben und Bewegung nur die Koͤrper alsdenn; augenſcheinlich hat dieſer das Ganze, und er nur den Theil.“ „Die alten Kuͤnſtler wagten es außerdem nicht, den Kern von manchen tragiſchen Geſchich- ten darzuſtellen, weil ſie bloß das Grauſame wuͤr- den

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Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/369>, abgerufen am 25.11.2024.