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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

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geht bey dem Kenner von Kunstfertigem Sinn
über alle euer Fratzenwesen von unreifen Ge-
sichtszügen, noch so affektirt geworfnen Gewän-
dern, und tausenderley nachgeäfftem Kostume.
Aber auch im Gegentheil ists nicht genug ge-
than, wenn einer einen Haufen nackender Kör-
per hervorheckt, die weiter nichts haben, als
ihre gehörige Anzahl von Rippen und Knochen,
und Muskeln, und Augen, Mäulern, Nasen,
Ohren."

"Mit einem Worte, die Schönheit nacken-
der Gestalt ist der Triumph bildender Kunst;
viel für Auge und den ganzen körperlichen Men-
schen, wenig für den innern. Sie allein er-
greift das Unsterbliche nicht; dazu gehört etwas,
was selbst gleich wie unmittelbar von der Seele
kömmt, und ihrer regenden unbegreiflichen Kraft:
Leben, Bewegung. Und dieß haben unter al-
len Künsten allein Musik und Poesie: neigt
euch ihr andern Schwestern vor diesen Musen."

Ich
Z 2

geht bey dem Kenner von Kunſtfertigem Sinn
uͤber alle euer Fratzenweſen von unreifen Ge-
ſichtszuͤgen, noch ſo affektirt geworfnen Gewaͤn-
dern, und tauſenderley nachgeaͤfftem Koſtume.
Aber auch im Gegentheil iſts nicht genug ge-
than, wenn einer einen Haufen nackender Koͤr-
per hervorheckt, die weiter nichts haben, als
ihre gehoͤrige Anzahl von Rippen und Knochen,
und Muskeln, und Augen, Maͤulern, Naſen,
Ohren.“

„Mit einem Worte, die Schoͤnheit nacken-
der Geſtalt iſt der Triumph bildender Kunſt;
viel fuͤr Auge und den ganzen koͤrperlichen Men-
ſchen, wenig fuͤr den innern. Sie allein er-
greift das Unſterbliche nicht; dazu gehoͤrt etwas,
was ſelbſt gleich wie unmittelbar von der Seele
koͤmmt, und ihrer regenden unbegreiflichen Kraft:
Leben, Bewegung. Und dieß haben unter al-
len Kuͤnſten allein Muſik und Poeſie: neigt
euch ihr andern Schweſtern vor dieſen Muſen.“

Ich
Z 2
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[355/0361] geht bey dem Kenner von Kunſtfertigem Sinn uͤber alle euer Fratzenweſen von unreifen Ge- ſichtszuͤgen, noch ſo affektirt geworfnen Gewaͤn- dern, und tauſenderley nachgeaͤfftem Koſtume. Aber auch im Gegentheil iſts nicht genug ge- than, wenn einer einen Haufen nackender Koͤr- per hervorheckt, die weiter nichts haben, als ihre gehoͤrige Anzahl von Rippen und Knochen, und Muskeln, und Augen, Maͤulern, Naſen, Ohren.“ „Mit einem Worte, die Schoͤnheit nacken- der Geſtalt iſt der Triumph bildender Kunſt; viel fuͤr Auge und den ganzen koͤrperlichen Men- ſchen, wenig fuͤr den innern. Sie allein er- greift das Unſterbliche nicht; dazu gehoͤrt etwas, was ſelbſt gleich wie unmittelbar von der Seele koͤmmt, und ihrer regenden unbegreiflichen Kraft: Leben, Bewegung. Und dieß haben unter al- len Kuͤnſten allein Muſik und Poeſie: neigt euch ihr andern Schweſtern vor dieſen Muſen.“ Ich Z 2

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Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/361>, abgerufen am 22.11.2024.