ging nach dem großen paradoxen, unsrer em- pfindelnden Welt unbegreiflichen Grundsatze der Stoiker: der Weise erbarmt sich, hat aber kein Mitleiden.
Die Pyramide ist ein gar herrlich Werk, hundert und etliche Fuß hoch. Sie steht ewig jung da, obgleich das Grüne von Gesträuchen sich hinein genistet hat, wie ein gediegner Feuer- wurf aus der Erde, so scharfflammend; grade gegen die vier Welttheile mitten zwischen den Ring- mauern, die Seite nach der Stadt gegen Nor- den. Ueppig fest trotzt sie der Luft, dem Him- mel und seinen Wolken. Eine dauerhaftere Form gibts nicht: alles was von oben herunter fällt und in der Erde anzieht, macht sie stärker, die mächtigste Feindin der Zerstörung. Aber was hilfts? Der Geist und das Leben ist doch weg aus dem Menschen, der darunter begraben liegt; sein Name bleibt indessen immer etwas. Wie das zarte Schwarz dem in- nen blendend weißen Marmor so lieblich läßt!
sie
ging nach dem großen paradoxen, unſrer em- pfindelnden Welt unbegreiflichen Grundſatze der Stoiker: der Weiſe erbarmt ſich, hat aber kein Mitleiden.
Die Pyramide iſt ein gar herrlich Werk, hundert und etliche Fuß hoch. Sie ſteht ewig jung da, obgleich das Gruͤne von Geſtraͤuchen ſich hinein geniſtet hat, wie ein gediegner Feuer- wurf aus der Erde, ſo ſcharfflammend; grade gegen die vier Welttheile mitten zwiſchen den Ring- mauern, die Seite nach der Stadt gegen Nor- den. Ueppig feſt trotzt ſie der Luft, dem Him- mel und ſeinen Wolken. Eine dauerhaftere Form gibts nicht: alles was von oben herunter faͤllt und in der Erde anzieht, macht ſie ſtaͤrker, die maͤchtigſte Feindin der Zerſtoͤrung. Aber was hilfts? Der Geiſt und das Leben iſt doch weg aus dem Menſchen, der darunter begraben liegt; ſein Name bleibt indeſſen immer etwas. Wie das zarte Schwarz dem in- nen blendend weißen Marmor ſo lieblich laͤßt!
ſie
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ging nach dem großen paradoxen, unſrer em-
pfindelnden Welt unbegreiflichen Grundſatze der
Stoiker: der Weiſe erbarmt ſich, hat aber kein
Mitleiden.
Die Pyramide iſt ein gar herrlich Werk,
hundert und etliche Fuß hoch. Sie ſteht ewig
jung da, obgleich das Gruͤne von Geſtraͤuchen
ſich hinein geniſtet hat, wie ein gediegner Feuer-
wurf aus der Erde, ſo ſcharfflammend; grade
gegen die vier Welttheile mitten zwiſchen den Ring-
mauern, die Seite nach der Stadt gegen Nor-
den. Ueppig feſt trotzt ſie der Luft, dem Him-
mel und ſeinen Wolken. Eine dauerhaftere Form
gibts nicht: alles was von oben herunter faͤllt und in
der Erde anzieht, macht ſie ſtaͤrker, die maͤchtigſte
Feindin der Zerſtoͤrung. Aber was hilfts? Der Geiſt
und das Leben iſt doch weg aus dem Menſchen, der
darunter begraben liegt; ſein Name bleibt indeſſen
immer etwas. Wie das zarte Schwarz dem in-
nen blendend weißen Marmor ſo lieblich laͤßt!
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/338>, abgerufen am 22.11.2024.
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