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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

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ten mir ein Muster von Seemann; und sein
Knebelbart und kurzer Säbel vollendeten das
Bild. Ich wünschte beyden herzlich Glück über
ihre Wiedervereinigung. Lucinde sah mich still
an, und glich einem Gewitter von Empfin-
dung.

Die Tage darauf macht ich nähere Bekannt-
schaft mit dem Florio; und meine kalte Ver-
nunft rang immer mehr, meine heißen Begierden
zu bekämpfen; der Tapfre war die edelste der Blu-
men ganz wehrt.

Ich sprach Lucinden alsdenn allein im Gar-
ten. Sie jammerte über die Unruhen des See-
lebens und die Kriegsgefahren. O wie mein
Herz ihr entgegen schlug, als ich die Morgenrö-
the von Küssen um ihre Lippen schweben sah!
Aber ich verwüstete schändlich alle Inbrunst der
Natur wie ein Gotteslästrer, und gab ihr das
theure Zettelchen wieder, und stammelte die tol-
len Sylben hervor: "ich kann deine Gunst nicht
annehmen; Florio ist deiner Liebe ungetheilt

werth:

ten mir ein Muſter von Seemann; und ſein
Knebelbart und kurzer Saͤbel vollendeten das
Bild. Ich wuͤnſchte beyden herzlich Gluͤck uͤber
ihre Wiedervereinigung. Lucinde ſah mich ſtill
an, und glich einem Gewitter von Empfin-
dung.

Die Tage darauf macht ich naͤhere Bekannt-
ſchaft mit dem Florio; und meine kalte Ver-
nunft rang immer mehr, meine heißen Begierden
zu bekaͤmpfen; der Tapfre war die edelſte der Blu-
men ganz wehrt.

Ich ſprach Lucinden alsdenn allein im Gar-
ten. Sie jammerte uͤber die Unruhen des See-
lebens und die Kriegsgefahren. O wie mein
Herz ihr entgegen ſchlug, als ich die Morgenroͤ-
the von Kuͤſſen um ihre Lippen ſchweben ſah!
Aber ich verwuͤſtete ſchaͤndlich alle Inbrunſt der
Natur wie ein Gotteslaͤſtrer, und gab ihr das
theure Zettelchen wieder, und ſtammelte die tol-
len Sylben hervor: „ich kann deine Gunſt nicht
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[268/0274] ten mir ein Muſter von Seemann; und ſein Knebelbart und kurzer Saͤbel vollendeten das Bild. Ich wuͤnſchte beyden herzlich Gluͤck uͤber ihre Wiedervereinigung. Lucinde ſah mich ſtill an, und glich einem Gewitter von Empfin- dung. Die Tage darauf macht ich naͤhere Bekannt- ſchaft mit dem Florio; und meine kalte Ver- nunft rang immer mehr, meine heißen Begierden zu bekaͤmpfen; der Tapfre war die edelſte der Blu- men ganz wehrt. Ich ſprach Lucinden alsdenn allein im Gar- ten. Sie jammerte uͤber die Unruhen des See- lebens und die Kriegsgefahren. O wie mein Herz ihr entgegen ſchlug, als ich die Morgenroͤ- the von Kuͤſſen um ihre Lippen ſchweben ſah! Aber ich verwuͤſtete ſchaͤndlich alle Inbrunſt der Natur wie ein Gotteslaͤſtrer, und gab ihr das theure Zettelchen wieder, und ſtammelte die tol- len Sylben hervor: „ich kann deine Gunſt nicht annehmen; Florio iſt deiner Liebe ungetheilt werth:

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Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/274>, abgerufen am 22.11.2024.