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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

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"Wenn eine schön ist: so legt man ihr überall
Schlingen; und derjenige selbst, welchem sie in
einer gewitterhaften Stunde gefällig war, ver-
läumdet sie oft hernach am ärgsten, und tritt
zum schimpfenden Pöbel über, wenn er einen
andern vorgezogen glaubt; oder sie wird von
unvernünftiger Eifersucht noch fester einge-
kerkert."

"Sind wir nicht schön: so erwerben wir
keine Liebe mit aller Weisheit und allen Künsten
der Musen und der Minerva; und außerdem
heißts immer noch: sie ist doch nur ein Weib, und
kann und darf nicht recht sehen wie es ist; Pe-
danterey und Ziererey ohne Zweck und Nutzen!
ein Weib hat weder Stärke, noch Ueberlegung,
etwas großes in irgendwo zu erlangen und zu fassen;
die Guten und Verständigen haben Mitleiden mit
dessen Schwäche, und die Boshaften verspotten
es, und suchen es mit ihrem Lobe vollends zur

När-

„Wenn eine ſchoͤn iſt: ſo legt man ihr uͤberall
Schlingen; und derjenige ſelbſt, welchem ſie in
einer gewitterhaften Stunde gefaͤllig war, ver-
laͤumdet ſie oft hernach am aͤrgſten, und tritt
zum ſchimpfenden Poͤbel uͤber, wenn er einen
andern vorgezogen glaubt; oder ſie wird von
unvernuͤnftiger Eiferſucht noch feſter einge-
kerkert.“

„Sind wir nicht ſchoͤn: ſo erwerben wir
keine Liebe mit aller Weisheit und allen Kuͤnſten
der Muſen und der Minerva; und außerdem
heißts immer noch: ſie iſt doch nur ein Weib, und
kann und darf nicht recht ſehen wie es iſt; Pe-
danterey und Ziererey ohne Zweck und Nutzen!
ein Weib hat weder Staͤrke, noch Ueberlegung,
etwas großes in irgendwo zu erlangen und zu faſſen;
die Guten und Verſtaͤndigen haben Mitleiden mit
deſſen Schwaͤche, und die Boshaften verſpotten
es, und ſuchen es mit ihrem Lobe vollends zur

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[251/0257] „Wenn eine ſchoͤn iſt: ſo legt man ihr uͤberall Schlingen; und derjenige ſelbſt, welchem ſie in einer gewitterhaften Stunde gefaͤllig war, ver- laͤumdet ſie oft hernach am aͤrgſten, und tritt zum ſchimpfenden Poͤbel uͤber, wenn er einen andern vorgezogen glaubt; oder ſie wird von unvernuͤnftiger Eiferſucht noch feſter einge- kerkert.“ „Sind wir nicht ſchoͤn: ſo erwerben wir keine Liebe mit aller Weisheit und allen Kuͤnſten der Muſen und der Minerva; und außerdem heißts immer noch: ſie iſt doch nur ein Weib, und kann und darf nicht recht ſehen wie es iſt; Pe- danterey und Ziererey ohne Zweck und Nutzen! ein Weib hat weder Staͤrke, noch Ueberlegung, etwas großes in irgendwo zu erlangen und zu faſſen; die Guten und Verſtaͤndigen haben Mitleiden mit deſſen Schwaͤche, und die Boshaften verſpotten es, und ſuchen es mit ihrem Lobe vollends zur Naͤr-

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Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/257>, abgerufen am 22.11.2024.