starke Bankerotte in Marseille aus, wobey er so viel einbüßte, daß die Gläubiger sich seines übrigen Vermögens bemächtigten. Er flüchtete zuvor mit wenigen hieher, da der Reichthum der Kaufleute mehr in Forderungen als baarem Gelde besteht, und gab binnen Kurzem vor Kum- mer seinen Geist auf; Lucinden nahmen aus dem Kloster ihre mütterlichen Anverwandten zu sich. Und so strahlt sie denn wie der Morgenstern, der bey einer Nacht ohne Mond aus den stürmischen Wellen der See aufgeht und Glanz von sich träufelt, am Genuesischen Himmel."
"Aber o wäre sie auch so glücklich, als sie schön ist, und alle weibliche Tugenden besitzt! Sie könnt es seyn, wenn das Schicksal ihr nicht einen Strich durch die Rechnung gemacht hätte. Florio Branca liebte sie, und ihn Lucinde; und sie lebten schon in seeliger Ehe mit einander, wenn er nicht in Sklaverey gerahten wäre. Er wuchs an den Ufern des Varo auf, kam in das Haus ihres
Va-
Q
ſtarke Bankerotte in Marſeille aus, wobey er ſo viel einbuͤßte, daß die Glaͤubiger ſich ſeines uͤbrigen Vermoͤgens bemaͤchtigten. Er fluͤchtete zuvor mit wenigen hieher, da der Reichthum der Kaufleute mehr in Forderungen als baarem Gelde beſteht, und gab binnen Kurzem vor Kum- mer ſeinen Geiſt auf; Lucinden nahmen aus dem Kloſter ihre muͤtterlichen Anverwandten zu ſich. Und ſo ſtrahlt ſie denn wie der Morgenſtern, der bey einer Nacht ohne Mond aus den ſtuͤrmiſchen Wellen der See aufgeht und Glanz von ſich traͤufelt, am Genueſiſchen Himmel.“
„Aber o waͤre ſie auch ſo gluͤcklich, als ſie ſchoͤn iſt, und alle weibliche Tugenden beſitzt! Sie koͤnnt es ſeyn, wenn das Schickſal ihr nicht einen Strich durch die Rechnung gemacht haͤtte. Florio Branca liebte ſie, und ihn Lucinde; und ſie lebten ſchon in ſeeliger Ehe mit einander, wenn er nicht in Sklaverey gerahten waͤre. Er wuchs an den Ufern des Varo auf, kam in das Haus ihres
Va-
Q
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0247"n="241"/>ſtarke Bankerotte in Marſeille aus, wobey er<lb/>ſo viel einbuͤßte, daß die Glaͤubiger ſich ſeines<lb/>
uͤbrigen Vermoͤgens bemaͤchtigten. Er fluͤchtete<lb/>
zuvor mit wenigen hieher, da der Reichthum<lb/>
der Kaufleute mehr in Forderungen als baarem<lb/>
Gelde beſteht, und gab binnen Kurzem vor Kum-<lb/>
mer ſeinen Geiſt auf; Lucinden nahmen aus dem<lb/>
Kloſter ihre muͤtterlichen Anverwandten zu ſich.<lb/>
Und ſo ſtrahlt ſie denn wie der Morgenſtern, der<lb/>
bey einer Nacht ohne Mond aus den ſtuͤrmiſchen<lb/>
Wellen der See aufgeht und Glanz von ſich<lb/>
traͤufelt, am Genueſiſchen Himmel.“</p><lb/><p>„Aber o waͤre ſie auch ſo gluͤcklich, als ſie<lb/>ſchoͤn iſt, und alle weibliche Tugenden beſitzt!<lb/>
Sie koͤnnt es ſeyn, wenn das Schickſal ihr nicht<lb/>
einen Strich durch die Rechnung gemacht haͤtte.<lb/>
Florio Branca liebte ſie, und ihn Lucinde; und ſie<lb/>
lebten ſchon in ſeeliger Ehe mit einander, wenn er<lb/>
nicht in Sklaverey gerahten waͤre. Er wuchs an<lb/>
den Ufern des <hirendition="#fr">Varo</hi> auf, kam in das Haus ihres<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Q</fw><fwplace="bottom"type="catch">Va-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[241/0247]
ſtarke Bankerotte in Marſeille aus, wobey er
ſo viel einbuͤßte, daß die Glaͤubiger ſich ſeines
uͤbrigen Vermoͤgens bemaͤchtigten. Er fluͤchtete
zuvor mit wenigen hieher, da der Reichthum
der Kaufleute mehr in Forderungen als baarem
Gelde beſteht, und gab binnen Kurzem vor Kum-
mer ſeinen Geiſt auf; Lucinden nahmen aus dem
Kloſter ihre muͤtterlichen Anverwandten zu ſich.
Und ſo ſtrahlt ſie denn wie der Morgenſtern, der
bey einer Nacht ohne Mond aus den ſtuͤrmiſchen
Wellen der See aufgeht und Glanz von ſich
traͤufelt, am Genueſiſchen Himmel.“
„Aber o waͤre ſie auch ſo gluͤcklich, als ſie
ſchoͤn iſt, und alle weibliche Tugenden beſitzt!
Sie koͤnnt es ſeyn, wenn das Schickſal ihr nicht
einen Strich durch die Rechnung gemacht haͤtte.
Florio Branca liebte ſie, und ihn Lucinde; und ſie
lebten ſchon in ſeeliger Ehe mit einander, wenn er
nicht in Sklaverey gerahten waͤre. Er wuchs an
den Ufern des Varo auf, kam in das Haus ihres
Va-
Q
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/247>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.