Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

mers, als wir so früh aus den Betten mußten: und
die einzelnen Lichtstrahlen zitterten süß von oben
schräg durch die bewegten Zweige auf unsre Au-
genlieder, und schimmerten in die Dämmerung."
O Sonn und Erde, rief endlich Ardinghello,
wie gut macht ihrs euern Kindern, wenn sie sich
selbst das Leben nicht verbitterten!" und sprang
auf. Auch ich rastete nicht länger: der frische
Duft der fortrieselnden Quelle machte den gan-
zen Körper doppelt rege.

Ich nahm ihn in Arm, und ging mit ihm
auf und nieder durch die Bäume, und sagte:"
das ist doch nicht fein, da wir so lange beysam-
men sind, und ich dich liebe, wie mein ander Ich,
daß du mir noch nichts von deinen Lebensumstän-
den bekannt gemacht hast, und immer damit hin-
ter dem Berge hieltest! So oft die Rede auf dei-
ne Familie kam, bogst du davon aus, als ob du
aus dem Kraute gewachsen wärest; was Cäcilien

be-
G 4

mers, als wir ſo fruͤh aus den Betten mußten: und
die einzelnen Lichtſtrahlen zitterten ſuͤß von oben
ſchraͤg durch die bewegten Zweige auf unſre Au-
genlieder, und ſchimmerten in die Daͤmmerung.„
O Sonn und Erde, rief endlich Ardinghello,
wie gut macht ihrs euern Kindern, wenn ſie ſich
ſelbſt das Leben nicht verbitterten!“ und ſprang
auf. Auch ich raſtete nicht laͤnger: der friſche
Duft der fortrieſelnden Quelle machte den gan-
zen Koͤrper doppelt rege.

Ich nahm ihn in Arm, und ging mit ihm
auf und nieder durch die Baͤume, und ſagte:„
das iſt doch nicht fein, da wir ſo lange beyſam-
men ſind, und ich dich liebe, wie mein ander Ich,
daß du mir noch nichts von deinen Lebensumſtaͤn-
den bekannt gemacht haſt, und immer damit hin-
ter dem Berge hielteſt! So oft die Rede auf dei-
ne Familie kam, bogſt du davon aus, als ob du
aus dem Kraute gewachſen waͤreſt; was Caͤcilien

be-
G 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0109" n="103"/>
mers, als wir &#x017F;o fru&#x0364;h aus den Betten mußten: und<lb/>
die einzelnen Licht&#x017F;trahlen zitterten &#x017F;u&#x0364;ß von oben<lb/>
&#x017F;chra&#x0364;g durch die bewegten Zweige auf un&#x017F;re Au-<lb/>
genlieder, und &#x017F;chimmerten in die Da&#x0364;mmerung.&#x201E;<lb/>
O Sonn und Erde, rief endlich Ardinghello,<lb/>
wie gut macht ihrs euern Kindern, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t das Leben nicht verbitterten!&#x201C; und &#x017F;prang<lb/>
auf. Auch ich ra&#x017F;tete nicht la&#x0364;nger: der fri&#x017F;che<lb/>
Duft der fortrie&#x017F;elnden Quelle machte den gan-<lb/>
zen Ko&#x0364;rper doppelt rege.</p><lb/>
        <p>Ich nahm ihn in Arm, und ging mit ihm<lb/>
auf und nieder durch die Ba&#x0364;ume, und &#x017F;agte:&#x201E;<lb/>
das i&#x017F;t doch nicht fein, da wir &#x017F;o lange bey&#x017F;am-<lb/>
men &#x017F;ind, und ich dich liebe, wie mein ander Ich,<lb/>
daß du mir noch nichts von deinen Lebensum&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
den bekannt gemacht ha&#x017F;t, und immer damit hin-<lb/>
ter dem Berge hielte&#x017F;t! So oft die Rede auf dei-<lb/>
ne Familie kam, bog&#x017F;t du davon aus, als ob du<lb/>
aus dem Kraute gewach&#x017F;en wa&#x0364;re&#x017F;t; was Ca&#x0364;cilien<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G 4</fw><fw place="bottom" type="catch">be-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[103/0109] mers, als wir ſo fruͤh aus den Betten mußten: und die einzelnen Lichtſtrahlen zitterten ſuͤß von oben ſchraͤg durch die bewegten Zweige auf unſre Au- genlieder, und ſchimmerten in die Daͤmmerung.„ O Sonn und Erde, rief endlich Ardinghello, wie gut macht ihrs euern Kindern, wenn ſie ſich ſelbſt das Leben nicht verbitterten!“ und ſprang auf. Auch ich raſtete nicht laͤnger: der friſche Duft der fortrieſelnden Quelle machte den gan- zen Koͤrper doppelt rege. Ich nahm ihn in Arm, und ging mit ihm auf und nieder durch die Baͤume, und ſagte:„ das iſt doch nicht fein, da wir ſo lange beyſam- men ſind, und ich dich liebe, wie mein ander Ich, daß du mir noch nichts von deinen Lebensumſtaͤn- den bekannt gemacht haſt, und immer damit hin- ter dem Berge hielteſt! So oft die Rede auf dei- ne Familie kam, bogſt du davon aus, als ob du aus dem Kraute gewachſen waͤreſt; was Caͤcilien be- G 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/109
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/109>, abgerufen am 22.11.2024.