sehr bürgerlichen Zeit leben, und ich sehe leider voraus, daß viele Töchter gebildeter Stände an der Spree, wo nicht gar an der Alster, über mein armes Gedicht die mehr oder minder ge¬ bogenen Näschen rümpfen werden! Was ich aber mit noch größerem Leidwesen voraussehe, das ist das Zeter jener Pharisäer der Nazionalität, die jetzt mit den Antipathien der Regierungen Hand in Hand gehen, auch die volle Liebe und Hochach¬ tung der Censur genießen, und in der Tages¬ presse den Ton angeben können, wo es gilt jene Gegner zu befehden, die auch zugleich die Geg¬ ner ihrer allerhöchsten Herrschaften sind. Wir sind im Herzen gewappnet gegen das Mißfallen dieser heldenmüthigen Lakayen in schwarz-roth¬ goldner Livree. Ich höre schon ihre Bierstim¬ men: du lästerst sogar unsere Farben, Verächter des Vaterlands, Freund der Franzosen, denen du den freyen Rhein abtreten willst! Beruhigt Euch. Ich werde Eure Farben achten und ehren, wenn sie es verdienen, wenn sie nicht
ſehr bürgerlichen Zeit leben, und ich ſehe leider voraus, daß viele Töchter gebildeter Stände an der Spree, wo nicht gar an der Alſter, über mein armes Gedicht die mehr oder minder ge¬ bogenen Näschen rümpfen werden! Was ich aber mit noch größerem Leidweſen vorausſehe, das iſt das Zeter jener Phariſäer der Nazionalität, die jetzt mit den Antipathien der Regierungen Hand in Hand gehen, auch die volle Liebe und Hochach¬ tung der Cenſur genießen, und in der Tages¬ preſſe den Ton angeben können, wo es gilt jene Gegner zu befehden, die auch zugleich die Geg¬ ner ihrer allerhöchſten Herrſchaften ſind. Wir ſind im Herzen gewappnet gegen das Mißfallen dieſer heldenmüthigen Lakayen in ſchwarz-roth¬ goldner Livree. Ich höre ſchon ihre Bierſtim¬ men: du läſterſt ſogar unſere Farben, Verächter des Vaterlands, Freund der Franzoſen, denen du den freyen Rhein abtreten willſt! Beruhigt Euch. Ich werde Eure Farben achten und ehren, wenn ſie es verdienen, wenn ſie nicht
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[VII/0015]
ſehr bürgerlichen Zeit leben, und ich ſehe leider
voraus, daß viele Töchter gebildeter Stände an
der Spree, wo nicht gar an der Alſter, über
mein armes Gedicht die mehr oder minder ge¬
bogenen Näschen rümpfen werden! Was ich aber
mit noch größerem Leidweſen vorausſehe, das iſt
das Zeter jener Phariſäer der Nazionalität, die
jetzt mit den Antipathien der Regierungen Hand
in Hand gehen, auch die volle Liebe und Hochach¬
tung der Cenſur genießen, und in der Tages¬
preſſe den Ton angeben können, wo es gilt jene
Gegner zu befehden, die auch zugleich die Geg¬
ner ihrer allerhöchſten Herrſchaften ſind. Wir
ſind im Herzen gewappnet gegen das Mißfallen
dieſer heldenmüthigen Lakayen in ſchwarz-roth¬
goldner Livree. Ich höre ſchon ihre Bierſtim¬
men: du läſterſt ſogar unſere Farben, Verächter
des Vaterlands, Freund der Franzoſen, denen
du den freyen Rhein abtreten willſt! Beruhigt
Euch. Ich werde Eure Farben achten und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Bei der für das DTA zugrunde gelegten Ausgabe aus… [mehr]
Bei der für das DTA zugrunde gelegten Ausgabe aus der Staatsbibliothek zu Berlin handelt es sich um den 1844 bei Hoffmann & Campe, Hamburg, erschienenen Separatdruck. Diese Fassung des Versepos ist ein zensierter bzw. vorzensierter Separatdruck (Titelauflage) von Heines "Wintermährchen", das zuvor ungekürzt in Heines "Neuen Gedichten" (ebenfalls Hoffmann & Campe, 1844, S. 277–421) gedruckt worden war.
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Heine, Heinrich: Deutschland. Ein Wintermährchen. Hamburg, 1844, S. VII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_wintermaehrchen_1844/15>, abgerufen am 16.07.2024.
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