die Jahrtausende duftet. Außer dem Jünger, der am Herzen Christi lag, und der auch diese That verzeichnet hat, scheint keiner von den Aposteln ihre Bedeutung zu fühlen, und der mit dem ro¬ then Barte scheint sogar, wie in der Schrift steht, die verdrießliche Bemerkung zu machen: warum ist diese Salbe nicht verkauft um dreyhundert Gro¬ schen, und den Armen gegeben? Dieser ökono¬ mische Apostel ist eben derjenige, der den Beutel führt, die Gewohnheit der Geldgeschäfte hat ihn abgestumpft gegen alle uneigennützigen Narden¬ düfte der Liebe, er möchte Groschen dafür ein¬ wechseln zu einem nützlichen Zweck, und eben er, der Groschenwechsler, er war es, der den Heiland verrieth -- um dreyzig Silberlinge. So hat das Evangelium auch symbolisch, in der Geschichte des Banquiers unter den Aposteln, die unheimliche Verführungsmacht, die im Geldsacke lauert, offen¬ bart, und vor der Treulosigkeit der Geldgeschäfts¬ leute gewarnt. Jeder Reiche ist ein Judas Ischarioth.
die Jahrtauſende duftet. Außer dem Juͤnger, der am Herzen Chriſti lag, und der auch dieſe That verzeichnet hat, ſcheint keiner von den Apoſteln ihre Bedeutung zu fuͤhlen, und der mit dem ro¬ then Barte ſcheint ſogar, wie in der Schrift ſteht, die verdrießliche Bemerkung zu machen: warum iſt dieſe Salbe nicht verkauft um dreyhundert Gro¬ ſchen, und den Armen gegeben? Dieſer oͤkono¬ miſche Apoſtel iſt eben derjenige, der den Beutel fuͤhrt, die Gewohnheit der Geldgeſchaͤfte hat ihn abgeſtumpft gegen alle uneigennuͤtzigen Narden¬ duͤfte der Liebe, er moͤchte Groſchen dafuͤr ein¬ wechſeln zu einem nuͤtzlichen Zweck, und eben er, der Groſchenwechſler, er war es, der den Heiland verrieth — um dreyzig Silberlinge. So hat das Evangelium auch ſymboliſch, in der Geſchichte des Banquiers unter den Apoſteln, die unheimliche Verfuͤhrungsmacht, die im Geldſacke lauert, offen¬ bart, und vor der Treuloſigkeit der Geldgeſchaͤfts¬ leute gewarnt. Jeder Reiche iſt ein Judas Iſcharioth.
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die Jahrtauſende duftet. Außer dem Juͤnger, der
am Herzen Chriſti lag, und der auch dieſe That
verzeichnet hat, ſcheint keiner von den Apoſteln
ihre Bedeutung zu fuͤhlen, und der mit dem ro¬
then Barte ſcheint ſogar, wie in der Schrift ſteht,
die verdrießliche Bemerkung zu machen: warum
iſt dieſe Salbe nicht verkauft um dreyhundert Gro¬
ſchen, und den Armen gegeben? Dieſer oͤkono¬
miſche Apoſtel iſt eben derjenige, der den Beutel
fuͤhrt, die Gewohnheit der Geldgeſchaͤfte hat ihn
abgeſtumpft gegen alle uneigennuͤtzigen Narden¬
duͤfte der Liebe, er moͤchte Groſchen dafuͤr ein¬
wechſeln zu einem nuͤtzlichen Zweck, und eben er,
der Groſchenwechſler, er war es, der den Heiland
verrieth — um dreyzig Silberlinge. So hat das
Evangelium auch ſymboliſch, in der Geſchichte des
Banquiers unter den Apoſteln, die unheimliche
Verfuͤhrungsmacht, die im Geldſacke lauert, offen¬
bart, und vor der Treuloſigkeit der Geldgeſchaͤfts¬
leute gewarnt. Jeder Reiche iſt ein Judas Iſcharioth.
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/73>, abgerufen am 25.11.2024.
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