Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite
Capitel IV.

Ich weiß nicht, ob der Mönch, der mir unfern
Lukka begegnete, ein frommer Mann ist. Aber ich
weiß, sein alter Leib steckt arm und nackt in einer
groben Kutte, jahraus jahrein; die zerrissenen San¬
dalen können seine bloßen Füße nicht genug schü¬
tzen, wenn er, durch Dorn und Gestrippe, die
Felsen hinauf klimmt, um droben, in den Berg¬
dörfern, Kranke zu trösten oder Kinder beten zu
lehren; -- und er ist zufrieden, wenn man ihm
dafür ein Stückchen Brod in den Sack steckt, und
ihm ein Bischen Stroh gibt, um darauf zu schlafen.

"Gegen den Mann will ich nicht schreiben,"
sprach ich zu mir selbst. "Wenn ich wieder zu
Hause in Deutschland, auf meinem Lehnsessel, am

Capitel IV.

Ich weiß nicht, ob der Moͤnch, der mir unfern
Lukka begegnete, ein frommer Mann iſt. Aber ich
weiß, ſein alter Leib ſteckt arm und nackt in einer
groben Kutte, jahraus jahrein; die zerriſſenen San¬
dalen koͤnnen ſeine bloßen Fuͤße nicht genug ſchuͤ¬
tzen, wenn er, durch Dorn und Geſtrippe, die
Felſen hinauf klimmt, um droben, in den Berg¬
doͤrfern, Kranke zu troͤſten oder Kinder beten zu
lehren; — und er iſt zufrieden, wenn man ihm
dafuͤr ein Stuͤckchen Brod in den Sack ſteckt, und
ihm ein Bischen Stroh gibt, um darauf zu ſchlafen.

„Gegen den Mann will ich nicht ſchreiben,“
ſprach ich zu mir ſelbſt. „Wenn ich wieder zu
Hauſe in Deutſchland, auf meinem Lehnſeſſel, am

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0035" n="[21]"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Capitel</hi><hi rendition="#aq">IV</hi>.<lb/></head>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Ich weiß nicht, ob der Mo&#x0364;nch, der mir unfern<lb/>
Lukka begegnete, ein frommer Mann i&#x017F;t. Aber ich<lb/>
weiß, &#x017F;ein alter Leib &#x017F;teckt arm und nackt in einer<lb/>
groben Kutte, jahraus jahrein; die zerri&#x017F;&#x017F;enen San¬<lb/>
dalen ko&#x0364;nnen &#x017F;eine bloßen Fu&#x0364;ße nicht genug &#x017F;chu&#x0364;¬<lb/>
tzen, wenn er, durch Dorn und Ge&#x017F;trippe, die<lb/>
Fel&#x017F;en hinauf klimmt, um droben, in den Berg¬<lb/>
do&#x0364;rfern, Kranke zu tro&#x0364;&#x017F;ten oder Kinder beten zu<lb/>
lehren; &#x2014; und er i&#x017F;t zufrieden, wenn man ihm<lb/>
dafu&#x0364;r ein Stu&#x0364;ckchen Brod in den Sack &#x017F;teckt, und<lb/>
ihm ein Bischen Stroh gibt, um darauf zu &#x017F;chlafen.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Gegen den Mann will ich nicht &#x017F;chreiben,&#x201C;<lb/>
&#x017F;prach ich zu mir &#x017F;elb&#x017F;t. &#x201E;Wenn ich wieder zu<lb/>
Hau&#x017F;e in Deut&#x017F;chland, auf meinem Lehn&#x017F;e&#x017F;&#x017F;el, am<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[21]/0035] Capitel IV. Ich weiß nicht, ob der Moͤnch, der mir unfern Lukka begegnete, ein frommer Mann iſt. Aber ich weiß, ſein alter Leib ſteckt arm und nackt in einer groben Kutte, jahraus jahrein; die zerriſſenen San¬ dalen koͤnnen ſeine bloßen Fuͤße nicht genug ſchuͤ¬ tzen, wenn er, durch Dorn und Geſtrippe, die Felſen hinauf klimmt, um droben, in den Berg¬ doͤrfern, Kranke zu troͤſten oder Kinder beten zu lehren; — und er iſt zufrieden, wenn man ihm dafuͤr ein Stuͤckchen Brod in den Sack ſteckt, und ihm ein Bischen Stroh gibt, um darauf zu ſchlafen. „Gegen den Mann will ich nicht ſchreiben,“ ſprach ich zu mir ſelbſt. „Wenn ich wieder zu Hauſe in Deutſchland, auf meinem Lehnſeſſel, am

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/35
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. [21]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/35>, abgerufen am 22.12.2024.