Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

käsebleiche Gesicht hatte, wie es auf den Bildern
von Holbein abkonterfeit ist. Aber die menschen¬
verachtende Unterlippe trat gewiß noch gewaltsamer
hervor als auf jenen Bildern. Mußte er doch die
Leute verachten, die, im Sonnenschein des Glü¬
ckes, ihn so ergeben umwedelt, und ihn jetzt
allein ließen in dunkler Noth. Da öffnete sich
plötzlich die Kerkerthüre, und herein trat ein ver¬
hüllter Mann, und wie dieser den Mantel zurück¬
schlug, erkannte der Kaiser seinen treuen Kunz
von der Rosen, den Hofnarren. Dieser brachte
ihm Trost und Rath, und es war der Hofnarr.

O, deutsches Vaterland! theures deutsches Volk!
ich bin dein Kunz von der Rosen. Der Mann,
dessen eigentliches Amt die Kurzweil und der dich
nur belustigen sollte in guten Tagen, er dringt in
deinen Kerker zur Zeit der Noth; hier unter dem
Mantel bringe ich dir dein starkes Zepter und die

kaͤſebleiche Geſicht hatte, wie es auf den Bildern
von Holbein abkonterfeit iſt. Aber die menſchen¬
verachtende Unterlippe trat gewiß noch gewaltſamer
hervor als auf jenen Bildern. Mußte er doch die
Leute verachten, die, im Sonnenſchein des Gluͤ¬
ckes, ihn ſo ergeben umwedelt, und ihn jetzt
allein ließen in dunkler Noth. Da oͤffnete ſich
ploͤtzlich die Kerkerthuͤre, und herein trat ein ver¬
huͤllter Mann, und wie dieſer den Mantel zuruͤck¬
ſchlug, erkannte der Kaiſer ſeinen treuen Kunz
von der Roſen, den Hofnarren. Dieſer brachte
ihm Troſt und Rath, und es war der Hofnarr.

O, deutſches Vaterland! theures deutſches Volk!
ich bin dein Kunz von der Roſen. Der Mann,
deſſen eigentliches Amt die Kurzweil und der dich
nur beluſtigen ſollte in guten Tagen, er dringt in
deinen Kerker zur Zeit der Noth; hier unter dem
Mantel bringe ich dir dein ſtarkes Zepter und die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0336" n="322"/>
ka&#x0364;&#x017F;ebleiche Ge&#x017F;icht hatte, wie es auf den Bildern<lb/>
von Holbein abkonterfeit i&#x017F;t. Aber die men&#x017F;chen¬<lb/>
verachtende Unterlippe trat gewiß noch gewalt&#x017F;amer<lb/>
hervor als auf jenen Bildern. Mußte er doch die<lb/>
Leute verachten, die, im Sonnen&#x017F;chein des Glu&#x0364;¬<lb/>
ckes, ihn &#x017F;o ergeben umwedelt, und ihn jetzt<lb/>
allein ließen in dunkler Noth. Da o&#x0364;ffnete &#x017F;ich<lb/>
plo&#x0364;tzlich die Kerkerthu&#x0364;re, und herein trat ein ver¬<lb/>
hu&#x0364;llter Mann, und wie die&#x017F;er den Mantel zuru&#x0364;ck¬<lb/>
&#x017F;chlug, erkannte der Kai&#x017F;er &#x017F;einen treuen Kunz<lb/>
von der Ro&#x017F;en, den Hofnarren. Die&#x017F;er brachte<lb/>
ihm Tro&#x017F;t und Rath, und es war der Hofnarr.</p><lb/>
        <p>O, deut&#x017F;ches Vaterland! theures deut&#x017F;ches Volk!<lb/>
ich bin dein Kunz von der Ro&#x017F;en. Der Mann,<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en eigentliches Amt die Kurzweil und der dich<lb/>
nur belu&#x017F;tigen &#x017F;ollte in guten Tagen, er dringt in<lb/>
deinen Kerker zur Zeit der Noth; hier unter dem<lb/>
Mantel bringe ich dir dein &#x017F;tarkes Zepter und die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[322/0336] kaͤſebleiche Geſicht hatte, wie es auf den Bildern von Holbein abkonterfeit iſt. Aber die menſchen¬ verachtende Unterlippe trat gewiß noch gewaltſamer hervor als auf jenen Bildern. Mußte er doch die Leute verachten, die, im Sonnenſchein des Gluͤ¬ ckes, ihn ſo ergeben umwedelt, und ihn jetzt allein ließen in dunkler Noth. Da oͤffnete ſich ploͤtzlich die Kerkerthuͤre, und herein trat ein ver¬ huͤllter Mann, und wie dieſer den Mantel zuruͤck¬ ſchlug, erkannte der Kaiſer ſeinen treuen Kunz von der Roſen, den Hofnarren. Dieſer brachte ihm Troſt und Rath, und es war der Hofnarr. O, deutſches Vaterland! theures deutſches Volk! ich bin dein Kunz von der Roſen. Der Mann, deſſen eigentliches Amt die Kurzweil und der dich nur beluſtigen ſollte in guten Tagen, er dringt in deinen Kerker zur Zeit der Noth; hier unter dem Mantel bringe ich dir dein ſtarkes Zepter und die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/336
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/336>, abgerufen am 27.11.2024.