heit, und mit himmelnden Augen und frommen Seufzern, wird geklagt und bedauert, wir wären frivol und hätten leider keine Religion. Heuchle¬ rische Duckmäuser, die unter der Last ihrer gehei¬ men Sünden niedergebeugt einher schleichen, wa¬ gen es, ein Zeitalter zu lästern, das vielleicht das heiligste ist von allen seinen Vorgängern und Nachfolgern, ein Zeitalter, das sich opfert für die Sünden der Vergangenheit und für das Glück der Zukunft, ein Messias unter den Jahrhunder¬ ten, der die blutige Dornenkrone und die schwere Kreuzlast kaum ertrüge, wenn er nicht dann und wann ein heiteres Vaudeville trällerte und Späße risse über die neueren Pharisäer und Saduzäer. Die kolossalen Schmerzen wären nicht zu ertragen ohne solche Witzreißerey und Persiflage! Der Ernst tritt um so gewaltiger hervor, wenn der Spaß ihn angekündigt. Die Zeit gleicht hierin ganz ihren Kindern unter den Franzosen, die sehr
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heit, und mit himmelnden Augen und frommen Seufzern, wird geklagt und bedauert, wir waͤren frivol und haͤtten leider keine Religion. Heuchle¬ riſche Duckmaͤuſer, die unter der Laſt ihrer gehei¬ men Suͤnden niedergebeugt einher ſchleichen, wa¬ gen es, ein Zeitalter zu laͤſtern, das vielleicht das heiligſte iſt von allen ſeinen Vorgaͤngern und Nachfolgern, ein Zeitalter, das ſich opfert fuͤr die Suͤnden der Vergangenheit und fuͤr das Gluͤck der Zukunft, ein Meſſias unter den Jahrhunder¬ ten, der die blutige Dornenkrone und die ſchwere Kreuzlaſt kaum ertruͤge, wenn er nicht dann und wann ein heiteres Vaudeville traͤllerte und Spaͤße riſſe uͤber die neueren Phariſaͤer und Saduzaͤer. Die koloſſalen Schmerzen waͤren nicht zu ertragen ohne ſolche Witzreißerey und Perſiflage! Der Ernſt tritt um ſo gewaltiger hervor, wenn der Spaß ihn angekuͤndigt. Die Zeit gleicht hierin ganz ihren Kindern unter den Franzoſen, die ſehr
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heit, und mit himmelnden Augen und frommen
Seufzern, wird geklagt und bedauert, wir waͤren
frivol und haͤtten leider keine Religion. Heuchle¬
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gen es, ein Zeitalter zu laͤſtern, das vielleicht das
heiligſte iſt von allen ſeinen Vorgaͤngern und
Nachfolgern, ein Zeitalter, das ſich opfert fuͤr die
Suͤnden der Vergangenheit und fuͤr das Gluͤck
der Zukunft, ein Meſſias unter den Jahrhunder¬
ten, der die blutige Dornenkrone und die ſchwere
Kreuzlaſt kaum ertruͤge, wenn er nicht dann und
wann ein heiteres Vaudeville traͤllerte und Spaͤße
riſſe uͤber die neueren Phariſaͤer und Saduzaͤer.
Die koloſſalen Schmerzen waͤren nicht zu ertragen
ohne ſolche Witzreißerey und Perſiflage! Der
Ernſt tritt um ſo gewaltiger hervor, wenn der
Spaß ihn angekuͤndigt. Die Zeit gleicht hierin
ganz ihren Kindern unter den Franzoſen, die ſehr
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/327>, abgerufen am 24.11.2024.
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