im Divan verlieren könne, er nahm sogar die Parthey ihrer Feinde. Einst wurde der Vorschlag gemacht, einige Griechen in das Corps der regu¬ lairen Truppen oder Janitscharen aufzunehmen; aber der Obermufti erhob dagegen ein so heilloses Zetergeschrei -- ähnlich unserem No popery-Ge¬ schrei -- daß diejenigen, welche jene Maßregel ge¬ nehmigt, aus dem Divan scheiden mußten. Er gewann selbst die Oberhand, und sobald dies ge¬ schah, erklärte er sich für eben dieselbe Sache, wo¬ gegen er vorhin am meisten geeifert hatte (Ge¬ lächter). Er sorgte für des Sultans Gewissen und für sein eigenes; doch will man bemerkt ha¬ ben, daß sein Gewissen niemals mit seinen In¬ teressen in Opposition war (Gelächter). Da er aufs Genaueste die türkische Constitution studirt, hatte er ausgefunden, daß sie wesentlich mahome¬ danisch sey (Gelächter), und folglich allen Vor¬ rechten der Griechen feindselig seyn müsse. Er hatte deshalb beschlossen, der Sache der Intoleranz
im Divan verlieren koͤnne, er nahm ſogar die Parthey ihrer Feinde. Einſt wurde der Vorſchlag gemacht, einige Griechen in das Corps der regu¬ lairen Truppen oder Janitſcharen aufzunehmen; aber der Obermufti erhob dagegen ein ſo heilloſes Zetergeſchrei — aͤhnlich unſerem No popery-Ge¬ ſchrei — daß diejenigen, welche jene Maßregel ge¬ nehmigt, aus dem Divan ſcheiden mußten. Er gewann ſelbſt die Oberhand, und ſobald dies ge¬ ſchah, erklaͤrte er ſich fuͤr eben dieſelbe Sache, wo¬ gegen er vorhin am meiſten geeifert hatte (Ge¬ laͤchter). Er ſorgte fuͤr des Sultans Gewiſſen und fuͤr ſein eigenes; doch will man bemerkt ha¬ ben, daß ſein Gewiſſen niemals mit ſeinen In¬ tereſſen in Oppoſition war (Gelaͤchter). Da er aufs Genaueſte die tuͤrkiſche Conſtitution ſtudirt, hatte er ausgefunden, daß ſie weſentlich mahome¬ daniſch ſey (Gelaͤchter), und folglich allen Vor¬ rechten der Griechen feindſelig ſeyn muͤſſe. Er hatte deshalb beſchloſſen, der Sache der Intoleranz
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im Divan verlieren koͤnne, er nahm ſogar die
Parthey ihrer Feinde. Einſt wurde der Vorſchlag
gemacht, einige Griechen in das Corps der regu¬
lairen Truppen oder Janitſcharen aufzunehmen;
aber der Obermufti erhob dagegen ein ſo heilloſes
Zetergeſchrei — aͤhnlich unſerem No popery-Ge¬
ſchrei — daß diejenigen, welche jene Maßregel ge¬
nehmigt, aus dem Divan ſcheiden mußten. Er
gewann ſelbſt die Oberhand, und ſobald dies ge¬
ſchah, erklaͤrte er ſich fuͤr eben dieſelbe Sache, wo¬
gegen er vorhin am meiſten geeifert hatte (Ge¬
laͤchter). Er ſorgte fuͤr des Sultans Gewiſſen
und fuͤr ſein eigenes; doch will man bemerkt ha¬
ben, daß ſein Gewiſſen niemals mit ſeinen In¬
tereſſen in Oppoſition war (Gelaͤchter). Da er
aufs Genaueſte die tuͤrkiſche Conſtitution ſtudirt,
hatte er ausgefunden, daß ſie weſentlich mahome¬
daniſch ſey (Gelaͤchter), und folglich allen Vor¬
rechten der Griechen feindſelig ſeyn muͤſſe. Er
hatte deshalb beſchloſſen, der Sache der Intoleranz
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/296>, abgerufen am 24.11.2024.
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