ein eigenes großes Haus errichten, wie sie über die Menge Lebensmittel klagen, die sie ihm täglich verabreichen müssen, wie sie ihn im Staatsrath anschwärzen und beständig jammern, daß er dem Lande zu viel koste, wie sie ihn gern umbringen möchten, ihn aber noch im Tode fürchten, da sein Leichnam eine Pest hervorbringen könne, wie sie sich endlich zur glorreichsten Großmuth entschließen und ihm seinen Titel lassen, und nur seine Augen ausstechen wollen u. s. w. Wahrlich, überall ist Lilliput, wo ein großer Mensch unter kleine Men¬ schen geräth, die unermüdlich und auf die klein¬ lichste Weise ihn abquälen, und die wieder durch ihn genug Qual und Noth ausstehen; aber hätte der Dechant Swift in unserer Zeit sein Buch geschrieben, so würde man in dessen scharfgeschlif¬ fenem Spiegel nur die Gefangenschaftsgeschichte des Kaisers erblicken, und bis auf die Farbe des Rocks und des Gesichts die Zwerge erkennen, die ihn gequält haben.
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ein eigenes großes Haus errichten, wie ſie uͤber die Menge Lebensmittel klagen, die ſie ihm taͤglich verabreichen muͤſſen, wie ſie ihn im Staatsrath anſchwaͤrzen und beſtaͤndig jammern, daß er dem Lande zu viel koſte, wie ſie ihn gern umbringen moͤchten, ihn aber noch im Tode fuͤrchten, da ſein Leichnam eine Peſt hervorbringen koͤnne, wie ſie ſich endlich zur glorreichſten Großmuth entſchließen und ihm ſeinen Titel laſſen, und nur ſeine Augen ausſtechen wollen u. ſ. w. Wahrlich, uͤberall iſt Lilliput, wo ein großer Menſch unter kleine Men¬ ſchen geraͤth, die unermuͤdlich und auf die klein¬ lichſte Weiſe ihn abquaͤlen, und die wieder durch ihn genug Qual und Noth ausſtehen; aber haͤtte der Dechant Swift in unſerer Zeit ſein Buch geſchrieben, ſo wuͤrde man in deſſen ſcharfgeſchlif¬ fenem Spiegel nur die Gefangenſchaftsgeſchichte des Kaiſers erblicken, und bis auf die Farbe des Rocks und des Geſichts die Zwerge erkennen, die ihn gequaͤlt haben.
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ein eigenes großes Haus errichten, wie ſie uͤber
die Menge Lebensmittel klagen, die ſie ihm taͤglich
verabreichen muͤſſen, wie ſie ihn im Staatsrath
anſchwaͤrzen und beſtaͤndig jammern, daß er dem
Lande zu viel koſte, wie ſie ihn gern umbringen
moͤchten, ihn aber noch im Tode fuͤrchten, da ſein
Leichnam eine Peſt hervorbringen koͤnne, wie ſie
ſich endlich zur glorreichſten Großmuth entſchließen
und ihm ſeinen Titel laſſen, und nur ſeine Augen
ausſtechen wollen u. ſ. w. Wahrlich, uͤberall iſt
Lilliput, wo ein großer Menſch unter kleine Men¬
ſchen geraͤth, die unermuͤdlich und auf die klein¬
lichſte Weiſe ihn abquaͤlen, und die wieder durch
ihn genug Qual und Noth ausſtehen; aber haͤtte
der Dechant Swift in unſerer Zeit ſein Buch
geſchrieben, ſo wuͤrde man in deſſen ſcharfgeſchlif¬
fenem Spiegel nur die Gefangenſchaftsgeſchichte
des Kaiſers erblicken, und bis auf die Farbe des
Rocks und des Geſichts die Zwerge erkennen, die
ihn gequaͤlt haben.
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/209>, abgerufen am 24.11.2024.
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