üben, und den äußern Napoleon aufzufassen. Wal¬ ter Scott lernte nichts aus jenen schönen Bildern, die den Kaiser in der Umgebung seiner Generale und Staatsleute darstellen, während doch jeder, der sie unbefangen betrachtet, tief betroffen wird von der tragischen Ruhe und antiken Gemessenheit jener Gesichtszüge, die gegen die modern aufgereg¬ ten, pittoresken Tagsgesichter so schauerlich erhaben contrastiren, und etwas herabgestiegen Göttliches beurkunden. Konnte aber der schottische Dichter nicht die Gestalt, so konnte er noch viel weniger den Charakter des Kaisers begreifen, und gern verzeih ich ihm auch die Lästerung eines Gottes, den er nicht kennt. Ich muß ihm ebenfalls ver¬ zeihen, daß er seinen Wellington für einen Gott hält, und bei der Apotheose desselben so sehr in Andacht geräth, daß er, der doch so stark in Vieh¬ bildern ist, nicht weiß, womit er ihn vergleichen soll.
Bin ich aber tolerant gegen Walter Scott, und verzeihe ich ihm die Gehaltlosigkeit, Irrthü¬
uͤben, und den aͤußern Napoleon aufzufaſſen. Wal¬ ter Scott lernte nichts aus jenen ſchoͤnen Bildern, die den Kaiſer in der Umgebung ſeiner Generale und Staatsleute darſtellen, waͤhrend doch jeder, der ſie unbefangen betrachtet, tief betroffen wird von der tragiſchen Ruhe und antiken Gemeſſenheit jener Geſichtszuͤge, die gegen die modern aufgereg¬ ten, pittoresken Tagsgeſichter ſo ſchauerlich erhaben contraſtiren, und etwas herabgeſtiegen Goͤttliches beurkunden. Konnte aber der ſchottiſche Dichter nicht die Geſtalt, ſo konnte er noch viel weniger den Charakter des Kaiſers begreifen, und gern verzeih ich ihm auch die Laͤſterung eines Gottes, den er nicht kennt. Ich muß ihm ebenfalls ver¬ zeihen, daß er ſeinen Wellington fuͤr einen Gott haͤlt, und bei der Apotheoſe deſſelben ſo ſehr in Andacht geraͤth, daß er, der doch ſo ſtark in Vieh¬ bildern iſt, nicht weiß, womit er ihn vergleichen ſoll.
Bin ich aber tolerant gegen Walter Scott, und verzeihe ich ihm die Gehaltloſigkeit, Irrthuͤ¬
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[189/0203]
uͤben, und den aͤußern Napoleon aufzufaſſen. Wal¬
ter Scott lernte nichts aus jenen ſchoͤnen Bildern,
die den Kaiſer in der Umgebung ſeiner Generale
und Staatsleute darſtellen, waͤhrend doch jeder,
der ſie unbefangen betrachtet, tief betroffen wird
von der tragiſchen Ruhe und antiken Gemeſſenheit
jener Geſichtszuͤge, die gegen die modern aufgereg¬
ten, pittoresken Tagsgeſichter ſo ſchauerlich erhaben
contraſtiren, und etwas herabgeſtiegen Goͤttliches
beurkunden. Konnte aber der ſchottiſche Dichter
nicht die Geſtalt, ſo konnte er noch viel weniger
den Charakter des Kaiſers begreifen, und gern
verzeih ich ihm auch die Laͤſterung eines Gottes,
den er nicht kennt. Ich muß ihm ebenfalls ver¬
zeihen, daß er ſeinen Wellington fuͤr einen Gott
haͤlt, und bei der Apotheoſe deſſelben ſo ſehr in
Andacht geraͤth, daß er, der doch ſo ſtark in Vieh¬
bildern iſt, nicht weiß, womit er ihn vergleichen ſoll.
Bin ich aber tolerant gegen Walter Scott,
und verzeihe ich ihm die Gehaltloſigkeit, Irrthuͤ¬
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/203>, abgerufen am 28.11.2024.
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