"In dieser Erzählung ist weder Gehalt noch Farbe, weder Anordnung noch Lebendigkeit zu finden. Verworren in oberflächlicher, nicht in tiefer Verwirrung, ohne Hervortreten des Eigen¬ thümlichen, unsicher und wandelbar, zieht der gewaltige Stoff träge vorüber; kein Vorgang er¬ scheint in seiner bestimmten Eigenheit, nirgends werden die springenden Punkte sichtbar, kein Er¬ eigniß wird deutlich, keines tritt in seiner Noth¬ wendigkeit hervor, die Verbindung ist nur äußer¬ lich, Gehalte und Bedeutung kaum geahnet. In solcher Darstellung muß alles Licht der Geschichte erlöschen, und sie selbst wird zum, nicht wunder¬ baren, sondern gemeinen Mährchen. Die Ueber¬ legungen und Betrachtungen, welche sich öfters dem Vortrag einschieben, sind von einer entspre¬ chenden Art. Solch dünnlicher philosophischer Bereitung ist unsre Lesewelt längst entwachsen. Der dürftige Zuschnitt einer am Einzelnen haften¬ den Moral reicht nirgend aus. -- --"
„In dieſer Erzaͤhlung iſt weder Gehalt noch Farbe, weder Anordnung noch Lebendigkeit zu finden. Verworren in oberflaͤchlicher, nicht in tiefer Verwirrung, ohne Hervortreten des Eigen¬ thuͤmlichen, unſicher und wandelbar, zieht der gewaltige Stoff traͤge voruͤber; kein Vorgang er¬ ſcheint in ſeiner beſtimmten Eigenheit, nirgends werden die ſpringenden Punkte ſichtbar, kein Er¬ eigniß wird deutlich, keines tritt in ſeiner Noth¬ wendigkeit hervor, die Verbindung iſt nur aͤußer¬ lich, Gehalte und Bedeutung kaum geahnet. In ſolcher Darſtellung muß alles Licht der Geſchichte erloͤſchen, und ſie ſelbſt wird zum, nicht wunder¬ baren, ſondern gemeinen Maͤhrchen. Die Ueber¬ legungen und Betrachtungen, welche ſich oͤfters dem Vortrag einſchieben, ſind von einer entſpre¬ chenden Art. Solch duͤnnlicher philoſophiſcher Bereitung iſt unſre Leſewelt laͤngſt entwachſen. Der duͤrftige Zuſchnitt einer am Einzelnen haften¬ den Moral reicht nirgend aus. — —“
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„In dieſer Erzaͤhlung iſt weder Gehalt noch
Farbe, weder Anordnung noch Lebendigkeit zu
finden. Verworren in oberflaͤchlicher, nicht in
tiefer Verwirrung, ohne Hervortreten des Eigen¬
thuͤmlichen, unſicher und wandelbar, zieht der
gewaltige Stoff traͤge voruͤber; kein Vorgang er¬
ſcheint in ſeiner beſtimmten Eigenheit, nirgends
werden die ſpringenden Punkte ſichtbar, kein Er¬
eigniß wird deutlich, keines tritt in ſeiner Noth¬
wendigkeit hervor, die Verbindung iſt nur aͤußer¬
lich, Gehalte und Bedeutung kaum geahnet. In
ſolcher Darſtellung muß alles Licht der Geſchichte
erloͤſchen, und ſie ſelbſt wird zum, nicht wunder¬
baren, ſondern gemeinen Maͤhrchen. Die Ueber¬
legungen und Betrachtungen, welche ſich oͤfters
dem Vortrag einſchieben, ſind von einer entſpre¬
chenden Art. Solch duͤnnlicher philoſophiſcher
Bereitung iſt unſre Leſewelt laͤngſt entwachſen.
Der duͤrftige Zuſchnitt einer am Einzelnen haften¬
den Moral reicht nirgend aus. — —“
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/201>, abgerufen am 22.11.2024.
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