Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

Schmetterlinge, die in den Sälen West-Londons
herumflattern.

Dagegen welche Literatur bietet uns jetzt die
französische Presse, jene ächte Repräsentantin des
Geistes und Willens der Franzosen! Wie ihr
großer Kaiser die Muße seiner Gefangenschaft
dazu anwandte, sein Leben zu diktiren, uns die
geheimsten Rathschlüsse seiner göttlichen Seele zu
offenbaren, und den Felsen von St. Helena in
einen Lehrstuhl der Geschichte zu verwandeln, von
dessen Höhe die Zeitgenossen gerichtet und die spä¬
testen Enkel belehrt werden: so haben auch die
Franzosen selbst angefangen, die Tage ihres Mi߬
geschicks, die Zeit ihrer politischen Unthätigkeit so
rühmlich als möglich zu benutzen; auch sie schrei¬
ben die Geschichte ihrer Thaten; jene Hände, die
so lange das Schwerdt geführt, werden wieder
ein Schrecken ihrer Feinde, indem sie zur Feder
greifen, die ganze Nation ist gleichsam beschäftigt

Schmetterlinge, die in den Saͤlen Weſt-Londons
herumflattern.

Dagegen welche Literatur bietet uns jetzt die
franzoͤſiſche Preſſe, jene aͤchte Repraͤſentantin des
Geiſtes und Willens der Franzoſen! Wie ihr
großer Kaiſer die Muße ſeiner Gefangenſchaft
dazu anwandte, ſein Leben zu diktiren, uns die
geheimſten Rathſchluͤſſe ſeiner goͤttlichen Seele zu
offenbaren, und den Felſen von St. Helena in
einen Lehrſtuhl der Geſchichte zu verwandeln, von
deſſen Hoͤhe die Zeitgenoſſen gerichtet und die ſpaͤ¬
teſten Enkel belehrt werden: ſo haben auch die
Franzoſen ſelbſt angefangen, die Tage ihres Mi߬
geſchicks, die Zeit ihrer politiſchen Unthaͤtigkeit ſo
ruͤhmlich als moͤglich zu benutzen; auch ſie ſchrei¬
ben die Geſchichte ihrer Thaten; jene Haͤnde, die
ſo lange das Schwerdt gefuͤhrt, werden wieder
ein Schrecken ihrer Feinde, indem ſie zur Feder
greifen, die ganze Nation iſt gleichſam beſchaͤftigt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0187" n="173"/>
Schmetterlinge, die in den Sa&#x0364;len We&#x017F;t-Londons<lb/>
herumflattern.</p><lb/>
          <p>Dagegen welche Literatur bietet uns jetzt die<lb/>
franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che Pre&#x017F;&#x017F;e, jene a&#x0364;chte Repra&#x0364;&#x017F;entantin des<lb/>
Gei&#x017F;tes und Willens der Franzo&#x017F;en! Wie ihr<lb/>
großer Kai&#x017F;er die Muße &#x017F;einer Gefangen&#x017F;chaft<lb/>
dazu anwandte, &#x017F;ein Leben zu diktiren, uns die<lb/>
geheim&#x017F;ten Rath&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e &#x017F;einer go&#x0364;ttlichen Seele zu<lb/>
offenbaren, und den Fel&#x017F;en von St. Helena in<lb/>
einen Lehr&#x017F;tuhl der Ge&#x017F;chichte zu verwandeln, von<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Ho&#x0364;he die Zeitgeno&#x017F;&#x017F;en gerichtet und die &#x017F;pa&#x0364;¬<lb/>
te&#x017F;ten Enkel belehrt werden: &#x017F;o haben auch die<lb/>
Franzo&#x017F;en &#x017F;elb&#x017F;t angefangen, die Tage ihres Mi߬<lb/>
ge&#x017F;chicks, die Zeit ihrer politi&#x017F;chen Untha&#x0364;tigkeit &#x017F;o<lb/>
ru&#x0364;hmlich als mo&#x0364;glich zu benutzen; auch &#x017F;ie &#x017F;chrei¬<lb/>
ben die Ge&#x017F;chichte ihrer Thaten; jene Ha&#x0364;nde, die<lb/>
&#x017F;o lange das Schwerdt gefu&#x0364;hrt, werden wieder<lb/>
ein Schrecken ihrer Feinde, indem &#x017F;ie zur Feder<lb/>
greifen, die ganze Nation i&#x017F;t gleich&#x017F;am be&#x017F;cha&#x0364;ftigt<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[173/0187] Schmetterlinge, die in den Saͤlen Weſt-Londons herumflattern. Dagegen welche Literatur bietet uns jetzt die franzoͤſiſche Preſſe, jene aͤchte Repraͤſentantin des Geiſtes und Willens der Franzoſen! Wie ihr großer Kaiſer die Muße ſeiner Gefangenſchaft dazu anwandte, ſein Leben zu diktiren, uns die geheimſten Rathſchluͤſſe ſeiner goͤttlichen Seele zu offenbaren, und den Felſen von St. Helena in einen Lehrſtuhl der Geſchichte zu verwandeln, von deſſen Hoͤhe die Zeitgenoſſen gerichtet und die ſpaͤ¬ teſten Enkel belehrt werden: ſo haben auch die Franzoſen ſelbſt angefangen, die Tage ihres Mi߬ geſchicks, die Zeit ihrer politiſchen Unthaͤtigkeit ſo ruͤhmlich als moͤglich zu benutzen; auch ſie ſchrei¬ ben die Geſchichte ihrer Thaten; jene Haͤnde, die ſo lange das Schwerdt gefuͤhrt, werden wieder ein Schrecken ihrer Feinde, indem ſie zur Feder greifen, die ganze Nation iſt gleichſam beſchaͤftigt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/187
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/187>, abgerufen am 22.11.2024.