findet man jetzt Russen, die Italiener stehen, wo einst die Franzosen gestanden, sogar die Deutschen sind weiter gekommen.
Wie auf der Londoner Börse, so auch in der übrigen Welt sind die alten Täfelchen stehen ge¬ blieben, während die Menschen darunter wegge¬ schoben worden und andere an ihrer Stelle gekom¬ men sind, deren neue Köpfe sehr schlecht passen zu der alten Aufschrift. Die alten stereotypen Charakteristiken der Völker, wie wir solche in ge¬ lehrten Kompendien und Bierschenken finden, kön¬ nen uns nichts mehr nutzen und nur zu trostlosen Irrthümern verleiten. Wie wir unter unsern Au¬ gen in den letzten Jahrzehnten den Charakter unse¬ rer westlichen Nachbaren sich allmählich umgestalten sahen, so können wir, seit Aufhebung der Kon¬ tinentalsperre, eine ähnliche Umwandlung jenseits des Kanales wahrnehmen. Steife, schweigsame Engländer wallfahren schaarweis nach Frankreich,
findet man jetzt Ruſſen, die Italiener ſtehen, wo einſt die Franzoſen geſtanden, ſogar die Deutſchen ſind weiter gekommen.
Wie auf der Londoner Boͤrſe, ſo auch in der uͤbrigen Welt ſind die alten Taͤfelchen ſtehen ge¬ blieben, waͤhrend die Menſchen darunter wegge¬ ſchoben worden und andere an ihrer Stelle gekom¬ men ſind, deren neue Koͤpfe ſehr ſchlecht paſſen zu der alten Aufſchrift. Die alten ſtereotypen Charakteriſtiken der Voͤlker, wie wir ſolche in ge¬ lehrten Kompendien und Bierſchenken finden, koͤn¬ nen uns nichts mehr nutzen und nur zu troſtloſen Irrthuͤmern verleiten. Wie wir unter unſern Au¬ gen in den letzten Jahrzehnten den Charakter unſe¬ rer weſtlichen Nachbaren ſich allmaͤhlich umgeſtalten ſahen, ſo koͤnnen wir, ſeit Aufhebung der Kon¬ tinentalſperre, eine aͤhnliche Umwandlung jenſeits des Kanales wahrnehmen. Steife, ſchweigſame Englaͤnder wallfahren ſchaarweis nach Frankreich,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0184"n="170"/>
findet man jetzt Ruſſen, die Italiener ſtehen, wo<lb/>
einſt die Franzoſen geſtanden, ſogar die Deutſchen<lb/>ſind weiter gekommen.</p><lb/><p>Wie auf der Londoner Boͤrſe, ſo auch in der<lb/>
uͤbrigen Welt ſind die alten Taͤfelchen ſtehen ge¬<lb/>
blieben, waͤhrend die Menſchen darunter wegge¬<lb/>ſchoben worden und andere an ihrer Stelle gekom¬<lb/>
men ſind, deren neue Koͤpfe ſehr ſchlecht paſſen<lb/>
zu der alten Aufſchrift. Die alten ſtereotypen<lb/>
Charakteriſtiken der Voͤlker, wie wir ſolche in ge¬<lb/>
lehrten Kompendien und Bierſchenken finden, koͤn¬<lb/>
nen uns nichts mehr nutzen und nur zu troſtloſen<lb/>
Irrthuͤmern verleiten. Wie wir unter unſern Au¬<lb/>
gen in den letzten Jahrzehnten den Charakter unſe¬<lb/>
rer weſtlichen Nachbaren ſich allmaͤhlich umgeſtalten<lb/>ſahen, ſo koͤnnen wir, ſeit Aufhebung der Kon¬<lb/>
tinentalſperre, eine aͤhnliche Umwandlung jenſeits<lb/>
des Kanales wahrnehmen. Steife, ſchweigſame<lb/>
Englaͤnder wallfahren ſchaarweis nach Frankreich,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[170/0184]
findet man jetzt Ruſſen, die Italiener ſtehen, wo
einſt die Franzoſen geſtanden, ſogar die Deutſchen
ſind weiter gekommen.
Wie auf der Londoner Boͤrſe, ſo auch in der
uͤbrigen Welt ſind die alten Taͤfelchen ſtehen ge¬
blieben, waͤhrend die Menſchen darunter wegge¬
ſchoben worden und andere an ihrer Stelle gekom¬
men ſind, deren neue Koͤpfe ſehr ſchlecht paſſen
zu der alten Aufſchrift. Die alten ſtereotypen
Charakteriſtiken der Voͤlker, wie wir ſolche in ge¬
lehrten Kompendien und Bierſchenken finden, koͤn¬
nen uns nichts mehr nutzen und nur zu troſtloſen
Irrthuͤmern verleiten. Wie wir unter unſern Au¬
gen in den letzten Jahrzehnten den Charakter unſe¬
rer weſtlichen Nachbaren ſich allmaͤhlich umgeſtalten
ſahen, ſo koͤnnen wir, ſeit Aufhebung der Kon¬
tinentalſperre, eine aͤhnliche Umwandlung jenſeits
des Kanales wahrnehmen. Steife, ſchweigſame
Englaͤnder wallfahren ſchaarweis nach Frankreich,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/184>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.