ten, die Nachtigallen waren längst verschollen, von allen Seiten starrte mich an das Bild der Ver¬ gänglichkeit, -- und mein Herz wollte schier bre¬ chen, als ich las, wie der edle Ritter betäubt und zermalmt am Boden lag, und ohne das Visir zu erheben, als wenn er aus dem Grabe gesprochen hätte, mit schwacher kranker Stimme zu dem Sie¬ ger hinaufsprach: "Dulcinea ist das schönste Weib der Welt und ich der unglücklichste Ritter auf Erden, aber es ziemt sich nicht, daß meine Schwäche diese Wahrheit verläugne -- stoßt zu mit der Lanze, Ritter!"
Ach! dieser leuchtende Ritter vom silbernen Monde, der den muthigsten und edelsten Mann der Welt besiegte, war ein verkappter Barbier!
ten, die Nachtigallen waren laͤngſt verſchollen, von allen Seiten ſtarrte mich an das Bild der Ver¬ gaͤnglichkeit, — und mein Herz wollte ſchier bre¬ chen, als ich las, wie der edle Ritter betaͤubt und zermalmt am Boden lag, und ohne das Viſir zu erheben, als wenn er aus dem Grabe geſprochen haͤtte, mit ſchwacher kranker Stimme zu dem Sie¬ ger hinaufſprach: „Dulcinea iſt das ſchoͤnſte Weib der Welt und ich der ungluͤcklichſte Ritter auf Erden, aber es ziemt ſich nicht, daß meine Schwaͤche dieſe Wahrheit verlaͤugne — ſtoßt zu mit der Lanze, Ritter!“
Ach! dieſer leuchtende Ritter vom ſilbernen Monde, der den muthigſten und edelſten Mann der Welt beſiegte, war ein verkappter Barbier!
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ten, die Nachtigallen waren laͤngſt verſchollen, von
allen Seiten ſtarrte mich an das Bild der Ver¬
gaͤnglichkeit, — und mein Herz wollte ſchier bre¬
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zermalmt am Boden lag, und ohne das Viſir zu
erheben, als wenn er aus dem Grabe geſprochen
haͤtte, mit ſchwacher kranker Stimme zu dem Sie¬
ger hinaufſprach: „Dulcinea iſt das ſchoͤnſte Weib
der Welt und ich der ungluͤcklichſte Ritter auf
Erden, aber es ziemt ſich nicht, daß meine Schwaͤche
dieſe Wahrheit verlaͤugne — ſtoßt zu mit der
Lanze, Ritter!“
Ach! dieſer leuchtende Ritter vom ſilbernen
Monde, der den muthigſten und edelſten Mann
der Welt beſiegte, war ein verkappter Barbier!
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/138>, abgerufen am 24.11.2024.
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