Schmeichlerinn, und diese sang ihr Loblied so karessirend weich, so schmelzend enthusiastisch, daß die verschämtesten Knospen aufsprangen, und die lü¬ sternen Gräser und die duftigen Sonnenstralen sich hastiger küßten, und Bäume und Blumen schauer¬ ten, vor eitelem Entzücken. Ich aber setzte mich auf eine alte mosige Steinbank in der sogenann¬ ten Seufzerallee unfern des Wasserfalls, und er¬ götzte mein kleines Herz an den großen Aben¬ theuern des kühnen Ritters. In meiner kindischen Ehrlichkeit nahm ich alles für baaren Ernst; so lächerlich auch dem armen Helden von dem Ge¬ schicke mitgespielt wurde, so meinte ich doch, das müsse so seyn, das gehöre nun mahl zum Helden¬ thum, das Ausgelachtwerden eben so gut wie die Wunden des Leibes, und jenes verdroß mich eben so sehr, wie ich diese in meiner Seele mitfühlte. Ich war ein Kind und kannte nicht die Ironie, die Gott in die Welt hineingeschaffen, und die
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Schmeichlerinn, und dieſe ſang ihr Loblied ſo kareſſirend weich, ſo ſchmelzend enthuſiaſtiſch, daß die verſchaͤmteſten Knospen aufſprangen, und die luͤ¬ ſternen Graͤſer und die duftigen Sonnenſtralen ſich haſtiger kuͤßten, und Baͤume und Blumen ſchauer¬ ten, vor eitelem Entzuͤcken. Ich aber ſetzte mich auf eine alte moſige Steinbank in der ſogenann¬ ten Seufzerallee unfern des Waſſerfalls, und er¬ goͤtzte mein kleines Herz an den großen Aben¬ theuern des kuͤhnen Ritters. In meiner kindiſchen Ehrlichkeit nahm ich alles fuͤr baaren Ernſt; ſo laͤcherlich auch dem armen Helden von dem Ge¬ ſchicke mitgeſpielt wurde, ſo meinte ich doch, das muͤſſe ſo ſeyn, das gehoͤre nun mahl zum Helden¬ thum, das Ausgelachtwerden eben ſo gut wie die Wunden des Leibes, und jenes verdroß mich eben ſo ſehr, wie ich dieſe in meiner Seele mitfuͤhlte. Ich war ein Kind und kannte nicht die Ironie, die Gott in die Welt hineingeſchaffen, und die
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Schmeichlerinn, und dieſe ſang ihr Loblied ſo
kareſſirend weich, ſo ſchmelzend enthuſiaſtiſch, daß
die verſchaͤmteſten Knospen aufſprangen, und die luͤ¬
ſternen Graͤſer und die duftigen Sonnenſtralen ſich
haſtiger kuͤßten, und Baͤume und Blumen ſchauer¬
ten, vor eitelem Entzuͤcken. Ich aber ſetzte mich
auf eine alte moſige Steinbank in der ſogenann¬
ten Seufzerallee unfern des Waſſerfalls, und er¬
goͤtzte mein kleines Herz an den großen Aben¬
theuern des kuͤhnen Ritters. In meiner kindiſchen
Ehrlichkeit nahm ich alles fuͤr baaren Ernſt; ſo
laͤcherlich auch dem armen Helden von dem Ge¬
ſchicke mitgeſpielt wurde, ſo meinte ich doch, das
muͤſſe ſo ſeyn, das gehoͤre nun mahl zum Helden¬
thum, das Ausgelachtwerden eben ſo gut wie die
Wunden des Leibes, und jenes verdroß mich eben
ſo ſehr, wie ich dieſe in meiner Seele mitfuͤhlte.
Ich war ein Kind und kannte nicht die Ironie,
die Gott in die Welt hineingeſchaffen, und die
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/135>, abgerufen am 28.11.2024.
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