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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

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vorig Jahr getanzt hatte; wie denn sonderbar
genug, dieser König, nämlich Friedrich der Große,
auf den italienischen Theatern und im Gedächtnisse
des italienischen Volks noch immer lebt.

Nein, sagte Mylady, ohne auf Signoras
süßes Gekose hinzuhören, nein, diesen Menschen
braucht man nicht erst in einen Esel zu verwan¬
deln; nicht nur, daß er jede zehn Schritte seine
Gesinnung wechselt, und sich beständig widerspricht,
wird er jetzt sogar ein Bekehrer, und ich glaube
gar er ist ein verkappter Jesuit. Ich muß, mei¬
ner Sicherheit wegen, jetzt devote Gesichter schnei¬
den, sonst giebt er mich an bey seinen Mitheuch¬
lern in Christo, bey den heiligen Inquisizions¬
dilettanten, die mich in Effigie verbrennen, da
ihnen die Polizey noch nicht erlaubt, die Perso¬
nen selbst ins Feuer zu werfen. Ach, ehrwürdiger
Herr! glauben Sie nur nicht, daß ich so klug sey
wie ich aussehe, es fehlt mir durchaus nicht an
Religion, ich bin keine Tulpe, bey Leibe keine

vorig Jahr getanzt hatte; wie denn ſonderbar
genug, dieſer Koͤnig, naͤmlich Friedrich der Große,
auf den italieniſchen Theatern und im Gedaͤchtniſſe
des italieniſchen Volks noch immer lebt.

Nein, ſagte Mylady, ohne auf Signoras
ſuͤßes Gekoſe hinzuhoͤren, nein, dieſen Menſchen
braucht man nicht erſt in einen Eſel zu verwan¬
deln; nicht nur, daß er jede zehn Schritte ſeine
Geſinnung wechſelt, und ſich beſtaͤndig widerſpricht,
wird er jetzt ſogar ein Bekehrer, und ich glaube
gar er iſt ein verkappter Jeſuit. Ich muß, mei¬
ner Sicherheit wegen, jetzt devote Geſichter ſchnei¬
den, ſonſt giebt er mich an bey ſeinen Mitheuch¬
lern in Chriſto, bey den heiligen Inquiſizions¬
dilettanten, die mich in Effigie verbrennen, da
ihnen die Polizey noch nicht erlaubt, die Perſo¬
nen ſelbſt ins Feuer zu werfen. Ach, ehrwuͤrdiger
Herr! glauben Sie nur nicht, daß ich ſo klug ſey
wie ich ausſehe, es fehlt mir durchaus nicht an
Religion, ich bin keine Tulpe, bey Leibe keine

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[89/0103] vorig Jahr getanzt hatte; wie denn ſonderbar genug, dieſer Koͤnig, naͤmlich Friedrich der Große, auf den italieniſchen Theatern und im Gedaͤchtniſſe des italieniſchen Volks noch immer lebt. Nein, ſagte Mylady, ohne auf Signoras ſuͤßes Gekoſe hinzuhoͤren, nein, dieſen Menſchen braucht man nicht erſt in einen Eſel zu verwan¬ deln; nicht nur, daß er jede zehn Schritte ſeine Geſinnung wechſelt, und ſich beſtaͤndig widerſpricht, wird er jetzt ſogar ein Bekehrer, und ich glaube gar er iſt ein verkappter Jeſuit. Ich muß, mei¬ ner Sicherheit wegen, jetzt devote Geſichter ſchnei¬ den, ſonſt giebt er mich an bey ſeinen Mitheuch¬ lern in Chriſto, bey den heiligen Inquiſizions¬ dilettanten, die mich in Effigie verbrennen, da ihnen die Polizey noch nicht erlaubt, die Perſo¬ nen ſelbſt ins Feuer zu werfen. Ach, ehrwuͤrdiger Herr! glauben Sie nur nicht, daß ich ſo klug ſey wie ich ausſehe, es fehlt mir durchaus nicht an Religion, ich bin keine Tulpe, bey Leibe keine

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/103>, abgerufen am 24.11.2024.