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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

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so erschrack ich fast, als mich all die großen italie¬
nischen Augen plötzlich ansahen, und das bunt¬
verwirrte italienische Leben mir leibhaftig, heiß
und summend, entgegenströmte.

Es geschah dieses aber in der Stadt Trient,
wo ich an einem schönen Sonntag des Nachmit¬
tags ankam, zur Zeit, wo die Hitze sich legt und
die Italiener aufstehen und in den Straßen auf-
und ab spatzieren. Diese Stadt liegt alt und
gebrochen in einem weiten Kreise von blühend
grünen Bergen, die, wie ewig junge Götter,
auf das morsche Menschenwerk herabsehen. Ge¬
brochen und morsch liegt daneben auch die hohe
Burg, die einst die Stadt beherrschte, ein aben¬
teuerlicher Bau aus abenteuerlicher Zeit, mit
Spitzen, Vorsprüngen, Zinnen und mit einem
breitrunden Thurm, worin nur noch Eulen und
östreichische Invaliden hausen. Auch die Stadt
selbst ist abenteuerlich gebaut, und wundersam

ſo erſchrack ich faſt, als mich all die großen italie¬
niſchen Augen ploͤtzlich anſahen, und das bunt¬
verwirrte italieniſche Leben mir leibhaftig, heiß
und ſummend, entgegenſtroͤmte.

Es geſchah dieſes aber in der Stadt Trient,
wo ich an einem ſchoͤnen Sonntag des Nachmit¬
tags ankam, zur Zeit, wo die Hitze ſich legt und
die Italiener aufſtehen und in den Straßen auf-
und ab ſpatzieren. Dieſe Stadt liegt alt und
gebrochen in einem weiten Kreiſe von bluͤhend
gruͤnen Bergen, die, wie ewig junge Goͤtter,
auf das morſche Menſchenwerk herabſehen. Ge¬
brochen und morſch liegt daneben auch die hohe
Burg, die einſt die Stadt beherrſchte, ein aben¬
teuerlicher Bau aus abenteuerlicher Zeit, mit
Spitzen, Vorſpruͤngen, Zinnen und mit einem
breitrunden Thurm, worin nur noch Eulen und
oͤſtreichiſche Invaliden hauſen. Auch die Stadt
ſelbſt iſt abenteuerlich gebaut, und wunderſam

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[86/0094] ſo erſchrack ich faſt, als mich all die großen italie¬ niſchen Augen ploͤtzlich anſahen, und das bunt¬ verwirrte italieniſche Leben mir leibhaftig, heiß und ſummend, entgegenſtroͤmte. Es geſchah dieſes aber in der Stadt Trient, wo ich an einem ſchoͤnen Sonntag des Nachmit¬ tags ankam, zur Zeit, wo die Hitze ſich legt und die Italiener aufſtehen und in den Straßen auf- und ab ſpatzieren. Dieſe Stadt liegt alt und gebrochen in einem weiten Kreiſe von bluͤhend gruͤnen Bergen, die, wie ewig junge Goͤtter, auf das morſche Menſchenwerk herabſehen. Ge¬ brochen und morſch liegt daneben auch die hohe Burg, die einſt die Stadt beherrſchte, ein aben¬ teuerlicher Bau aus abenteuerlicher Zeit, mit Spitzen, Vorſpruͤngen, Zinnen und mit einem breitrunden Thurm, worin nur noch Eulen und oͤſtreichiſche Invaliden hauſen. Auch die Stadt ſelbſt iſt abenteuerlich gebaut, und wunderſam

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/94>, abgerufen am 23.11.2024.