zimmer in Tyrol begrüßen Dich so zuvorkommend freundlich, die Manner drücken Dir so derb die Hand, und gebehrden sich dabei so putzig herzlich, daß du fast glauben solltest, sie behandelten Dich wie einen nahen Verwandten, wenigstens wie ihres Gleichen; aber weit gefehlt, sie verlieren dabei nie aus dem Gedächtniß, daß sie nur ge¬ meine Leute sind, und daß Du ein vornehmer Herr bist, der es gewiß gern sieht, wenn gemeine Leute ohne Blödigkeit sich zu ihm herauflassen. Und darin haben sie einen naturrichtigen In¬ stinkt; die starrsten Aristokraten sind froh, wenn sie Gelegenheit finden zur Herablassung, denn dadurch eben fühlen sie, wie hoch sie gestellt sind. Zu Hause üben die Tyroler diesen Servi¬ lismus gratis, in der Fremde suchen sie auch noch dadurch zu lukriren. Sie geben ihre Per¬ sönlichkeit preis, ihre Nationalität. Diese bun¬ ten Deckenverkäufer, diese muntern Tyroler Bua, die wir in ihrem Nationalkostüm herumwandern
zimmer in Tyrol begruͤßen Dich ſo zuvorkommend freundlich, die Manner druͤcken Dir ſo derb die Hand, und gebehrden ſich dabei ſo putzig herzlich, daß du faſt glauben ſollteſt, ſie behandelten Dich wie einen nahen Verwandten, wenigſtens wie ihres Gleichen; aber weit gefehlt, ſie verlieren dabei nie aus dem Gedaͤchtniß, daß ſie nur ge¬ meine Leute ſind, und daß Du ein vornehmer Herr biſt, der es gewiß gern ſieht, wenn gemeine Leute ohne Bloͤdigkeit ſich zu ihm herauflaſſen. Und darin haben ſie einen naturrichtigen In¬ ſtinkt; die ſtarrſten Ariſtokraten ſind froh, wenn ſie Gelegenheit finden zur Herablaſſung, denn dadurch eben fuͤhlen ſie, wie hoch ſie geſtellt ſind. Zu Hauſe uͤben die Tyroler dieſen Servi¬ lismus gratis, in der Fremde ſuchen ſie auch noch dadurch zu lukriren. Sie geben ihre Per¬ ſoͤnlichkeit preis, ihre Nationalitaͤt. Dieſe bun¬ ten Deckenverkaͤufer, dieſe muntern Tyroler Bua, die wir in ihrem Nationalkoſtuͤm herumwandern
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zimmer in Tyrol begruͤßen Dich ſo zuvorkommend
freundlich, die Manner druͤcken Dir ſo derb die
Hand, und gebehrden ſich dabei ſo putzig herzlich,
daß du faſt glauben ſollteſt, ſie behandelten Dich
wie einen nahen Verwandten, wenigſtens wie
ihres Gleichen; aber weit gefehlt, ſie verlieren
dabei nie aus dem Gedaͤchtniß, daß ſie nur ge¬
meine Leute ſind, und daß Du ein vornehmer
Herr biſt, der es gewiß gern ſieht, wenn gemeine
Leute ohne Bloͤdigkeit ſich zu ihm herauflaſſen.
Und darin haben ſie einen naturrichtigen In¬
ſtinkt; die ſtarrſten Ariſtokraten ſind froh, wenn
ſie Gelegenheit finden zur Herablaſſung, denn
dadurch eben fuͤhlen ſie, wie hoch ſie geſtellt
ſind. Zu Hauſe uͤben die Tyroler dieſen Servi¬
lismus gratis, in der Fremde ſuchen ſie auch
noch dadurch zu lukriren. Sie geben ihre Per¬
ſoͤnlichkeit preis, ihre Nationalitaͤt. Dieſe bun¬
ten Deckenverkaͤufer, dieſe muntern Tyroler Bua,
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/78>, abgerufen am 24.11.2024.
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