geheim verboten; und als er mich nach einem dunkeln Stübchen geführt, wo er seine Reliquien aus dem Tyrolerkrieg aufbewahrt, wickelte er ein schmutzig blaues Papier von einem schon zerlesenen grünen Büchlein, das ich zu meiner Verwunderung als Immermanns "Trauerspiel in Tyrol" erkannte. Ich sagte ihm, nicht ohne er¬ röthenden Stolz, der Mann, der es geschrieben, sey mein Freund. Herr Niederkirchner wollte nun so viel als möglich von dem Manne wissen, und ich sagte ihm, es sey ein gedienter Mann, von fester Statur, sehr ehrlich und sehr geschickt in Schreibsachen, so daß er nur wenige seines Gleichen finde. Daß er aber ein Preuße sey, wollte Herr Niederkirchner durchaus nicht glauben, und rief mit mitleidigem Lächeln: Warum nicht gar! Er ließ sich nicht ausreden, daß der Immermann ein Tyroler sey und den Tyroler Krieg mitgemacht habe, -- "wie könnte er sonst alles wissen?"
geheim verboten; und als er mich nach einem dunkeln Stuͤbchen gefuͤhrt, wo er ſeine Reliquien aus dem Tyrolerkrieg aufbewahrt, wickelte er ein ſchmutzig blaues Papier von einem ſchon zerleſenen gruͤnen Buͤchlein, das ich zu meiner Verwunderung als Immermanns “Trauerſpiel in Tyrol„ erkannte. Ich ſagte ihm, nicht ohne er¬ roͤthenden Stolz, der Mann, der es geſchrieben, ſey mein Freund. Herr Niederkirchner wollte nun ſo viel als moͤglich von dem Manne wiſſen, und ich ſagte ihm, es ſey ein gedienter Mann, von feſter Statur, ſehr ehrlich und ſehr geſchickt in Schreibſachen, ſo daß er nur wenige ſeines Gleichen finde. Daß er aber ein Preuße ſey, wollte Herr Niederkirchner durchaus nicht glauben, und rief mit mitleidigem Laͤcheln: Warum nicht gar! Er ließ ſich nicht ausreden, daß der Immermann ein Tyroler ſey und den Tyroler Krieg mitgemacht habe, — „wie koͤnnte er ſonſt alles wiſſen?„
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0055"n="47"/>
geheim verboten; und als er mich nach einem<lb/>
dunkeln Stuͤbchen gefuͤhrt, wo er ſeine Reliquien<lb/>
aus dem Tyrolerkrieg aufbewahrt, wickelte er<lb/>
ein ſchmutzig blaues Papier von einem ſchon<lb/>
zerleſenen gruͤnen Buͤchlein, das ich zu meiner<lb/>
Verwunderung als Immermanns “Trauerſpiel in<lb/>
Tyrol„ erkannte. Ich ſagte ihm, nicht ohne er¬<lb/>
roͤthenden Stolz, der Mann, der es geſchrieben,<lb/>ſey mein Freund. Herr Niederkirchner wollte<lb/>
nun ſo viel als moͤglich von dem Manne wiſſen,<lb/>
und ich ſagte ihm, es ſey ein gedienter Mann,<lb/>
von feſter Statur, ſehr ehrlich und ſehr geſchickt<lb/>
in Schreibſachen, ſo daß er nur wenige ſeines<lb/>
Gleichen finde. Daß er aber ein Preuße ſey,<lb/>
wollte Herr Niederkirchner durchaus nicht glauben,<lb/>
und rief mit mitleidigem Laͤcheln: Warum nicht<lb/>
gar! Er ließ ſich nicht ausreden, daß der<lb/>
Immermann ein Tyroler ſey und den Tyroler<lb/>
Krieg mitgemacht habe, —„wie koͤnnte er ſonſt<lb/>
alles wiſſen?„<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[47/0055]
geheim verboten; und als er mich nach einem
dunkeln Stuͤbchen gefuͤhrt, wo er ſeine Reliquien
aus dem Tyrolerkrieg aufbewahrt, wickelte er
ein ſchmutzig blaues Papier von einem ſchon
zerleſenen gruͤnen Buͤchlein, das ich zu meiner
Verwunderung als Immermanns “Trauerſpiel in
Tyrol„ erkannte. Ich ſagte ihm, nicht ohne er¬
roͤthenden Stolz, der Mann, der es geſchrieben,
ſey mein Freund. Herr Niederkirchner wollte
nun ſo viel als moͤglich von dem Manne wiſſen,
und ich ſagte ihm, es ſey ein gedienter Mann,
von feſter Statur, ſehr ehrlich und ſehr geſchickt
in Schreibſachen, ſo daß er nur wenige ſeines
Gleichen finde. Daß er aber ein Preuße ſey,
wollte Herr Niederkirchner durchaus nicht glauben,
und rief mit mitleidigem Laͤcheln: Warum nicht
gar! Er ließ ſich nicht ausreden, daß der
Immermann ein Tyroler ſey und den Tyroler
Krieg mitgemacht habe, — „wie koͤnnte er ſonſt
alles wiſſen?„
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/55>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.