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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

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rauschen so trostvoll, und die eigene Seele über¬
braust so stolz all' die kleinmüthigen Gedanken,
daß er sie bald wieder vergißt. Steigt gar die
Sonne hervor, so fühlt er sich wieder wie sonst,
und fliegt zu ihr hinauf, und wenn er hoch ge¬
nug ist, singt er ihr entgegen seine Lust und
Qual. Seine Mitthiere, besonders die Menschen,
glauben, der Adler könne nicht singen, und sie
wissen nicht, daß er dann nur singt, wenn er
aus ihrem Bereich ist, und daß er aus Stolz
nur von der Sonne gehört seyn will. Und er
hat Recht; es könnte irgend einem von der gefie¬
derten Sippschaft da unten einfallen, seinen Ge¬
sang zu rezensiren. Ich habe selbst erfahren,
wie solche Kritiken lauten: das Huhn stellt sich
dann auf ein Bein und gluckt, der Sänger habe
kein Gemüth; der Truthahn kullert, es fehle ihm
der wahre Ernst; die Taube girrt, er kenne nicht
die wahre Liebe; die Gans schnattert, er sey
nicht wissenschaftlich; der Kapaun kikert, er sey

rauſchen ſo troſtvoll, und die eigene Seele uͤber¬
brauſt ſo ſtolz all' die kleinmuͤthigen Gedanken,
daß er ſie bald wieder vergißt. Steigt gar die
Sonne hervor, ſo fuͤhlt er ſich wieder wie ſonſt,
und fliegt zu ihr hinauf, und wenn er hoch ge¬
nug iſt, ſingt er ihr entgegen ſeine Luſt und
Qual. Seine Mitthiere, beſonders die Menſchen,
glauben, der Adler koͤnne nicht ſingen, und ſie
wiſſen nicht, daß er dann nur ſingt, wenn er
aus ihrem Bereich iſt, und daß er aus Stolz
nur von der Sonne gehoͤrt ſeyn will. Und er
hat Recht; es koͤnnte irgend einem von der gefie¬
derten Sippſchaft da unten einfallen, ſeinen Ge¬
ſang zu rezenſiren. Ich habe ſelbſt erfahren,
wie ſolche Kritiken lauten: das Huhn ſtellt ſich
dann auf ein Bein und gluckt, der Saͤnger habe
kein Gemuͤth; der Truthahn kullert, es fehle ihm
der wahre Ernſt; die Taube girrt, er kenne nicht
die wahre Liebe; die Gans ſchnattert, er ſey
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[43/0051] rauſchen ſo troſtvoll, und die eigene Seele uͤber¬ brauſt ſo ſtolz all' die kleinmuͤthigen Gedanken, daß er ſie bald wieder vergißt. Steigt gar die Sonne hervor, ſo fuͤhlt er ſich wieder wie ſonſt, und fliegt zu ihr hinauf, und wenn er hoch ge¬ nug iſt, ſingt er ihr entgegen ſeine Luſt und Qual. Seine Mitthiere, beſonders die Menſchen, glauben, der Adler koͤnne nicht ſingen, und ſie wiſſen nicht, daß er dann nur ſingt, wenn er aus ihrem Bereich iſt, und daß er aus Stolz nur von der Sonne gehoͤrt ſeyn will. Und er hat Recht; es koͤnnte irgend einem von der gefie¬ derten Sippſchaft da unten einfallen, ſeinen Ge¬ ſang zu rezenſiren. Ich habe ſelbſt erfahren, wie ſolche Kritiken lauten: das Huhn ſtellt ſich dann auf ein Bein und gluckt, der Saͤnger habe kein Gemuͤth; der Truthahn kullert, es fehle ihm der wahre Ernſt; die Taube girrt, er kenne nicht die wahre Liebe; die Gans ſchnattert, er ſey nicht wiſſenſchaftlich; der Kapaun kikert, er ſey

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/51>, abgerufen am 24.11.2024.