Oedipus wird der seinige nicht entgehen, obgleich er sich auch hier, wie immer, nur dem Einfluß seiner adeligen und geistlichen Hintersassen hingab. Ja, es geht eine uralte Sage unter den Völkern des Orients und Occidents, daß jede gute oder böse That ihre nächsten Folgen hab für den Thäter. Und kommen wird der Tag, wo sie kommen -- mach' dich darauf gefaßt, lieber Leser, daß ich jetzt etwas in Pathos gerathe und schauerlich werde -- kommen wird der Tag, wo sie dem Tartaros entsteigen die furchtbaren Töchter der Themis, "die Eumeniden." Bey'm Styx! -- bey diesem Flusse schwören wir Götter nie¬ mals falsch -- kommen wird der Tag, wo sie erscheinen, die dunkeln, urgerechten Schwe¬ stern, sie werden erscheinen mit schlangen¬ gelockten, rotherzürnten Gesichtern, mit denselben Schlangengeißeln, womit sie einst den Orestes gegeißelt, den unnatürlichen Sünder, der die Mutter gemordet, die tyndaridische Clytämnestra.
Oedipus wird der ſeinige nicht entgehen, obgleich er ſich auch hier, wie immer, nur dem Einfluß ſeiner adeligen und geiſtlichen Hinterſaſſen hingab. Ja, es geht eine uralte Sage unter den Voͤlkern des Orients und Occidents, daß jede gute oder boͤſe That ihre naͤchſten Folgen hab fuͤr den Thaͤter. Und kommen wird der Tag, wo ſie kommen — mach' dich darauf gefaßt, lieber Leſer, daß ich jetzt etwas in Pathos gerathe und ſchauerlich werde — kommen wird der Tag, wo ſie dem Tartaros entſteigen die furchtbaren Toͤchter der Themis, „die Eumeniden.“ Bey'm Styx! — bey dieſem Fluſſe ſchwoͤren wir Goͤtter nie¬ mals falſch — kommen wird der Tag, wo ſie erſcheinen, die dunkeln, urgerechten Schwe¬ ſtern, ſie werden erſcheinen mit ſchlangen¬ gelockten, rotherzuͤrnten Geſichtern, mit denſelben Schlangengeißeln, womit ſie einſt den Oreſtes gegeißelt, den unnatuͤrlichen Suͤnder, der die Mutter gemordet, die tyndaridiſche Clytaͤmneſtra.
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[407/0415]
Oedipus wird der ſeinige nicht entgehen, obgleich
er ſich auch hier, wie immer, nur dem Einfluß
ſeiner adeligen und geiſtlichen Hinterſaſſen hingab.
Ja, es geht eine uralte Sage unter den Voͤlkern
des Orients und Occidents, daß jede gute oder boͤſe
That ihre naͤchſten Folgen hab fuͤr den Thaͤter.
Und kommen wird der Tag, wo ſie kommen —
mach' dich darauf gefaßt, lieber Leſer, daß ich
jetzt etwas in Pathos gerathe und ſchauerlich
werde — kommen wird der Tag, wo ſie dem
Tartaros entſteigen die furchtbaren Toͤchter der
Themis, „die Eumeniden.“ Bey'm Styx! —
bey dieſem Fluſſe ſchwoͤren wir Goͤtter nie¬
mals falſch — kommen wird der Tag, wo ſie
erſcheinen, die dunkeln, urgerechten Schwe¬
ſtern, ſie werden erſcheinen mit ſchlangen¬
gelockten, rotherzuͤrnten Geſichtern, mit denſelben
Schlangengeißeln, womit ſie einſt den Oreſtes
gegeißelt, den unnatuͤrlichen Suͤnder, der die
Mutter gemordet, die tyndaridiſche Clytaͤmneſtra.
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/415>, abgerufen am 22.11.2024.
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