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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

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des Augenblicks sein eigner anpreisender Ruffiano
seyn mußte, in der Litteratur wie im Leben. Da¬
her in beiden die Erscheinungen, von denen man
sagen konnte, daß sie mehr ein psychologisches als
aesthetisches Interesse gewährten, daher zu gleicher
Zeit die weinerlichste Seelenerschlaffung und der
erlogene Uebermuth, daher das klägliche Dünne¬
thun mit baldigem Sterben, und das drohende
Dickthun mit künftiger Unsterblichkeit, daher der
auflodernde Bettelstolz und die schmachtende Un¬
terthänigkeit, daher das beständige Klagen "daß
ihn Cotta verhungern lasse" und wiederum Kla¬
gen "daß ihn Cotta verhungern lasse" daher
die Anfälle von Katholizismus u. s. w.

Ob's dem Grafen mit dem Katholizismus
Ernst ist, daran zweifle ich. Ob er überhaupt
katholisch geworden ist, wie einige seiner Hochge¬
borenen Freunde, das weiß ich nicht. Daß er
es werden wolle, erfuhr ich zuerst aus öffent¬
lichen Blättern, die sogar hinzufügten, der Graf

des Augenblicks ſein eigner anpreiſender Ruffiano
ſeyn mußte, in der Litteratur wie im Leben. Da¬
her in beiden die Erſcheinungen, von denen man
ſagen konnte, daß ſie mehr ein pſychologiſches als
aeſthetiſches Intereſſe gewaͤhrten, daher zu gleicher
Zeit die weinerlichſte Seelenerſchlaffung und der
erlogene Uebermuth, daher das klaͤgliche Duͤnne¬
thun mit baldigem Sterben, und das drohende
Dickthun mit kuͤnftiger Unſterblichkeit, daher der
auflodernde Bettelſtolz und die ſchmachtende Un¬
terthaͤnigkeit, daher das beſtaͤndige Klagen „daß
ihn Cotta verhungern laſſe“ und wiederum Kla¬
gen „daß ihn Cotta verhungern laſſe“ daher
die Anfaͤlle von Katholizismus u. ſ. w.

Ob's dem Grafen mit dem Katholizismus
Ernſt iſt, daran zweifle ich. Ob er uͤberhaupt
katholiſch geworden iſt, wie einige ſeiner Hochge¬
borenen Freunde, das weiß ich nicht. Daß er
es werden wolle, erfuhr ich zuerſt aus oͤffent¬
lichen Blaͤttern, die ſogar hinzufuͤgten, der Graf

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[391/0399] des Augenblicks ſein eigner anpreiſender Ruffiano ſeyn mußte, in der Litteratur wie im Leben. Da¬ her in beiden die Erſcheinungen, von denen man ſagen konnte, daß ſie mehr ein pſychologiſches als aeſthetiſches Intereſſe gewaͤhrten, daher zu gleicher Zeit die weinerlichſte Seelenerſchlaffung und der erlogene Uebermuth, daher das klaͤgliche Duͤnne¬ thun mit baldigem Sterben, und das drohende Dickthun mit kuͤnftiger Unſterblichkeit, daher der auflodernde Bettelſtolz und die ſchmachtende Un¬ terthaͤnigkeit, daher das beſtaͤndige Klagen „daß ihn Cotta verhungern laſſe“ und wiederum Kla¬ gen „daß ihn Cotta verhungern laſſe“ daher die Anfaͤlle von Katholizismus u. ſ. w. Ob's dem Grafen mit dem Katholizismus Ernſt iſt, daran zweifle ich. Ob er uͤberhaupt katholiſch geworden iſt, wie einige ſeiner Hochge¬ borenen Freunde, das weiß ich nicht. Daß er es werden wolle, erfuhr ich zuerſt aus oͤffent¬ lichen Blaͤttern, die ſogar hinzufuͤgten, der Graf

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/399>, abgerufen am 22.11.2024.