Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830."Du liebst und schweigst -- O hätt' ich auch ge¬ so denken wir doch gleich an die Engel, die zuschwiegen, Und meine Blicke nur an dich verschwendet! O hätt' ich nie ein Wort dir zugewendet, So müßt' ich keinen Kränkungen erliegen! Doch diese Liebe möcht' ich nie besiegen, Und weh dem Tag, an dem sie frostig endet! Sie ward aus jenen Räumen uns gesendet, Wo selig Engel sich an Engel schmiegen --" Loth, dem Sohne Harans, kamen und nur mit Noth und Mühe den zärtlichsten Anschmiegungen entgingen, wie wir lesen im Pentateuch, wo lei¬ der die Gaselen und Sonette nicht mitgetheilt sind, die damals vor Loths Thüre gedichtet wur¬ den. Ueberall in den Platenschen Gedichten sehen wir den Vogel Strauß, der nur den Kopf ver¬ birgt, den eiteln ohnmächtigen Vogel, der das schönste Gefieder hat und doch nicht fliegen kann, und zänkisch humpelt über die polemische Sand¬ wüste der Litteratur. Mit seinen schönen Federn ohne Schwungkraft, mit seinen schönen Versen „Du liebſt und ſchweigſt — O haͤtt' ich auch ge¬ ſo denken wir doch gleich an die Engel, die zuſchwiegen, Und meine Blicke nur an dich verſchwendet! O haͤtt' ich nie ein Wort dir zugewendet, So muͤßt' ich keinen Kraͤnkungen erliegen! Doch dieſe Liebe moͤcht' ich nie beſiegen, Und weh dem Tag, an dem ſie froſtig endet! Sie ward aus jenen Raͤumen uns geſendet, Wo ſelig Engel ſich an Engel ſchmiegen —“ Loth, dem Sohne Harans, kamen und nur mit Noth und Muͤhe den zaͤrtlichſten Anſchmiegungen entgingen, wie wir leſen im Pentateuch, wo lei¬ der die Gaſelen und Sonette nicht mitgetheilt ſind, die damals vor Loths Thuͤre gedichtet wur¬ den. Ueberall in den Platenſchen Gedichten ſehen wir den Vogel Strauß, der nur den Kopf ver¬ birgt, den eiteln ohnmaͤchtigen Vogel, der das ſchoͤnſte Gefieder hat und doch nicht fliegen kann, und zaͤnkiſch humpelt uͤber die polemiſche Sand¬ wuͤſte der Litteratur. Mit ſeinen ſchoͤnen Federn ohne Schwungkraft, mit ſeinen ſchoͤnen Verſen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0388" n="380"/><lg type="poem"><l>„Du liebſt und ſchweigſt — O haͤtt' ich auch ge¬<lb/><hi rendition="#et">ſchwiegen,</hi></l><lb/><l>Und meine Blicke nur an dich verſchwendet!</l><lb/><l>O haͤtt' ich nie ein Wort dir zugewendet,</l><lb/><l>So muͤßt' ich keinen Kraͤnkungen erliegen!</l><lb/><l>Doch dieſe Liebe moͤcht' ich nie beſiegen,</l><lb/><l>Und weh dem Tag, an dem ſie froſtig endet!</l><lb/><l>Sie ward aus jenen Raͤumen uns geſendet,</l><lb/><l>Wo ſelig Engel ſich an Engel ſchmiegen —“</l><lb/></lg> ſo denken wir doch gleich an die Engel, die zu<lb/> Loth, dem Sohne Harans, kamen und nur mit<lb/> Noth und Muͤhe den zaͤrtlichſten Anſchmiegungen<lb/> entgingen, wie wir leſen im Pentateuch, wo lei¬<lb/> der die Gaſelen und Sonette nicht mitgetheilt<lb/> ſind, die damals vor Loths Thuͤre gedichtet wur¬<lb/> den. Ueberall in den Platenſchen Gedichten ſehen<lb/> wir den Vogel Strauß, der nur den Kopf ver¬<lb/> birgt, den eiteln ohnmaͤchtigen Vogel, der das<lb/> ſchoͤnſte Gefieder hat und doch nicht fliegen kann,<lb/> und zaͤnkiſch humpelt uͤber die polemiſche Sand¬<lb/> wuͤſte der Litteratur. Mit ſeinen ſchoͤnen Federn<lb/> ohne Schwungkraft, mit ſeinen ſchoͤnen Verſen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [380/0388]
„Du liebſt und ſchweigſt — O haͤtt' ich auch ge¬
ſchwiegen,
Und meine Blicke nur an dich verſchwendet!
O haͤtt' ich nie ein Wort dir zugewendet,
So muͤßt' ich keinen Kraͤnkungen erliegen!
Doch dieſe Liebe moͤcht' ich nie beſiegen,
Und weh dem Tag, an dem ſie froſtig endet!
Sie ward aus jenen Raͤumen uns geſendet,
Wo ſelig Engel ſich an Engel ſchmiegen —“
ſo denken wir doch gleich an die Engel, die zu
Loth, dem Sohne Harans, kamen und nur mit
Noth und Muͤhe den zaͤrtlichſten Anſchmiegungen
entgingen, wie wir leſen im Pentateuch, wo lei¬
der die Gaſelen und Sonette nicht mitgetheilt
ſind, die damals vor Loths Thuͤre gedichtet wur¬
den. Ueberall in den Platenſchen Gedichten ſehen
wir den Vogel Strauß, der nur den Kopf ver¬
birgt, den eiteln ohnmaͤchtigen Vogel, der das
ſchoͤnſte Gefieder hat und doch nicht fliegen kann,
und zaͤnkiſch humpelt uͤber die polemiſche Sand¬
wuͤſte der Litteratur. Mit ſeinen ſchoͤnen Federn
ohne Schwungkraft, mit ſeinen ſchoͤnen Verſen
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