ein Lessing sich verirrte, meynten, weiter könne man es in der Poesie nicht bringen. Fast dasselbe war späterhin der Fall bey A. W. v. Schlegel, dessen poetische Unzulänglichkeit aber sichtbar wird, seitdem die Sprache weiter ausgebildet worden, so daß sogar diejenigen, die einst den Sänger des Arion für einen gleichfallsigen Arion gehalten, jetzt nur noch den verdienstlichen Schul¬ lehrer in ihm sehen. Ob aber der Graf Platen schon befugt ist, über den sonst rühmenswerthen Schlegel zu lachen, wie dieser einst über Ramler lachte, das weiß ich nicht. Aber das weiß ich, in der Poesie sind alle drey sich gleich, und wenn der Graf Platen noch so hübsch in den Gaselen seine schaukelnden Balanzirkünste treibt, wenn er in seinen Oden noch so vortrefflich den Eyertanz exekutirt, ja, wenn er, in seinen Lust¬ spielen, sich auf den Kopf stellt -- so ist er doch kein Dichter. Er ist kein Dichter, sagt sogar die undankbare männliche Jugend, die er so zärtlich
ein Leſſing ſich verirrte, meynten, weiter koͤnne man es in der Poeſie nicht bringen. Faſt daſſelbe war ſpaͤterhin der Fall bey A. W. v. Schlegel, deſſen poetiſche Unzulaͤnglichkeit aber ſichtbar wird, ſeitdem die Sprache weiter ausgebildet worden, ſo daß ſogar diejenigen, die einſt den Saͤnger des Arion fuͤr einen gleichfallſigen Arion gehalten, jetzt nur noch den verdienſtlichen Schul¬ lehrer in ihm ſehen. Ob aber der Graf Platen ſchon befugt iſt, uͤber den ſonſt ruͤhmenswerthen Schlegel zu lachen, wie dieſer einſt uͤber Ramler lachte, das weiß ich nicht. Aber das weiß ich, in der Poeſie ſind alle drey ſich gleich, und wenn der Graf Platen noch ſo huͤbſch in den Gaſelen ſeine ſchaukelnden Balanzirkuͤnſte treibt, wenn er in ſeinen Oden noch ſo vortrefflich den Eyertanz exekutirt, ja, wenn er, in ſeinen Luſt¬ ſpielen, ſich auf den Kopf ſtellt — ſo iſt er doch kein Dichter. Er iſt kein Dichter, ſagt ſogar die undankbare maͤnnliche Jugend, die er ſo zaͤrtlich
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man es in der Poeſie nicht bringen. Faſt daſſelbe
war ſpaͤterhin der Fall bey A. W. v. Schlegel,
deſſen poetiſche Unzulaͤnglichkeit aber ſichtbar
wird, ſeitdem die Sprache weiter ausgebildet
worden, ſo daß ſogar diejenigen, die einſt den
Saͤnger des Arion fuͤr einen gleichfallſigen Arion
gehalten, jetzt nur noch den verdienſtlichen Schul¬
lehrer in ihm ſehen. Ob aber der Graf Platen
ſchon befugt iſt, uͤber den ſonſt ruͤhmenswerthen
Schlegel zu lachen, wie dieſer einſt uͤber Ramler
lachte, das weiß ich nicht. Aber das weiß ich,
in der Poeſie ſind alle drey ſich gleich, und
wenn der Graf Platen noch ſo huͤbſch in den
Gaſelen ſeine ſchaukelnden Balanzirkuͤnſte treibt,
wenn er in ſeinen Oden noch ſo vortrefflich den
Eyertanz exekutirt, ja, wenn er, in ſeinen Luſt¬
ſpielen, ſich auf den Kopf ſtellt — ſo iſt er doch
kein Dichter. Er iſt kein Dichter, ſagt ſogar die
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/382>, abgerufen am 25.11.2024.
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