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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

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einzige Xenie des Tadels auf sich beziehen konnte,
kontrollirte er alle Recensionen, worin Andere
gelobt wurden, und schrie er beständig: ich werde
nicht genug gelobt, nicht genug belohnt, denn Ich
bin der Poet, der Poet der Poeten u. s. w.
So hungerig und lechzend nach Lob und Spenden
zeigte sich nie ein wahrer Dichter, niemals Klop¬
stock, niemals Goethe, zu deren Drittem der
Graf Platen sich selbst ernennt, obgleich jeder ein¬
sieht, daß er nur mit Ramler und etwa A. W.
v. Schlegel ein Triumvirat bildet. Der große Ram¬
ler, wie man ihn zu seiner Zeit hieß, als er,
zwar ohne Lorbeerkranz auf dem Haupte, aber
mit desto größerem Zopf und Haarbeutel, das
Auge gen Himmel gehoben und den steifleinenen
Regenschirm unter'm Arm, im Berliner Thier¬
garten skandirend wandelte, hielt sich damals
für den Repräsentanten der Poesie auf Erden.
Seine Verse waren die vollendetesten in deutscher
Sprache, und seine Verehrer, worunter sogar

einzige Xenie des Tadels auf ſich beziehen konnte,
kontrollirte er alle Recenſionen, worin Andere
gelobt wurden, und ſchrie er beſtaͤndig: ich werde
nicht genug gelobt, nicht genug belohnt, denn Ich
bin der Poet, der Poet der Poeten u. ſ. w.
So hungerig und lechzend nach Lob und Spenden
zeigte ſich nie ein wahrer Dichter, niemals Klop¬
ſtock, niemals Goethe, zu deren Drittem der
Graf Platen ſich ſelbſt ernennt, obgleich jeder ein¬
ſieht, daß er nur mit Ramler und etwa A. W.
v. Schlegel ein Triumvirat bildet. Der große Ram¬
ler, wie man ihn zu ſeiner Zeit hieß, als er,
zwar ohne Lorbeerkranz auf dem Haupte, aber
mit deſto groͤßerem Zopf und Haarbeutel, das
Auge gen Himmel gehoben und den ſteifleinenen
Regenſchirm unter'm Arm, im Berliner Thier¬
garten ſkandirend wandelte, hielt ſich damals
fuͤr den Repraͤſentanten der Poeſie auf Erden.
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[373/0381] einzige Xenie des Tadels auf ſich beziehen konnte, kontrollirte er alle Recenſionen, worin Andere gelobt wurden, und ſchrie er beſtaͤndig: ich werde nicht genug gelobt, nicht genug belohnt, denn Ich bin der Poet, der Poet der Poeten u. ſ. w. So hungerig und lechzend nach Lob und Spenden zeigte ſich nie ein wahrer Dichter, niemals Klop¬ ſtock, niemals Goethe, zu deren Drittem der Graf Platen ſich ſelbſt ernennt, obgleich jeder ein¬ ſieht, daß er nur mit Ramler und etwa A. W. v. Schlegel ein Triumvirat bildet. Der große Ram¬ ler, wie man ihn zu ſeiner Zeit hieß, als er, zwar ohne Lorbeerkranz auf dem Haupte, aber mit deſto groͤßerem Zopf und Haarbeutel, das Auge gen Himmel gehoben und den ſteifleinenen Regenſchirm unter'm Arm, im Berliner Thier¬ garten ſkandirend wandelte, hielt ſich damals fuͤr den Repraͤſentanten der Poeſie auf Erden. Seine Verſe waren die vollendeteſten in deutſcher Sprache, und ſeine Verehrer, worunter ſogar

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/381>, abgerufen am 22.11.2024.