ist, wenn man sich auf den Appeninen verliebt hat. Man gebehrdet sich nemlich wie ein Narr, man tanzt über Hügel und Felsen und glaubt, die ganze Welt tanze mit. Zu Muthe ist einem dabey, als sey die Welt erst heute erschaffen worden, und man sey der erste Mensch. Ach, wie schön ist das Alles! jauchzte ich, als ich Franscheskas Wohnung verlassen hatte. Wie schön und kostbar ist diese neue Welt! Es war mir, als müßte ich allen Pflanzen und Thieren einen Namen geben, und ich benannte Alles nach seiner innern Natur und nach meinem eignen Gefühl, das mit den Außendingen so wunderbar verschmolz. Meine Brust war eine Quelle von Offenbarung, und ich verstand alle Formen und Gestaltungen, den Duft der Pflanzen, den Ge¬ sang der Vögel, das Pfeifen des Windes und das Rauschen der Wasserfälle. Manchmal hörte ich auch die göttliche Stimme: Adam, wo bist du? Hier bin ich, Franscheska, rief ich dann,
iſt, wenn man ſich auf den Appeninen verliebt hat. Man gebehrdet ſich nemlich wie ein Narr, man tanzt uͤber Huͤgel und Felſen und glaubt, die ganze Welt tanze mit. Zu Muthe iſt einem dabey, als ſey die Welt erſt heute erſchaffen worden, und man ſey der erſte Menſch. Ach, wie ſchoͤn iſt das Alles! jauchzte ich, als ich Franſcheskas Wohnung verlaſſen hatte. Wie ſchoͤn und koſtbar iſt dieſe neue Welt! Es war mir, als muͤßte ich allen Pflanzen und Thieren einen Namen geben, und ich benannte Alles nach ſeiner innern Natur und nach meinem eignen Gefuͤhl, das mit den Außendingen ſo wunderbar verſchmolz. Meine Bruſt war eine Quelle von Offenbarung, und ich verſtand alle Formen und Geſtaltungen, den Duft der Pflanzen, den Ge¬ ſang der Voͤgel, das Pfeifen des Windes und das Rauſchen der Waſſerfaͤlle. Manchmal hoͤrte ich auch die goͤttliche Stimme: Adam, wo biſt du? Hier bin ich, Franſcheska, rief ich dann,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0298"n="290"/>
iſt, wenn man ſich auf den Appeninen verliebt<lb/>
hat. Man gebehrdet ſich nemlich wie ein Narr,<lb/>
man tanzt uͤber Huͤgel und Felſen und glaubt,<lb/>
die ganze Welt tanze mit. Zu Muthe iſt einem<lb/>
dabey, als ſey die Welt erſt heute erſchaffen<lb/>
worden, und man ſey der erſte Menſch. Ach,<lb/>
wie ſchoͤn iſt das Alles! jauchzte ich, als ich<lb/>
Franſcheskas Wohnung verlaſſen hatte. Wie<lb/>ſchoͤn und koſtbar iſt dieſe neue Welt! Es war<lb/>
mir, als muͤßte ich allen Pflanzen und Thieren<lb/>
einen Namen geben, und ich benannte Alles nach<lb/>ſeiner innern Natur und nach meinem eignen<lb/>
Gefuͤhl, das mit den Außendingen ſo wunderbar<lb/>
verſchmolz. Meine Bruſt war eine Quelle von<lb/>
Offenbarung, und ich verſtand alle Formen und<lb/>
Geſtaltungen, den Duft der Pflanzen, den Ge¬<lb/>ſang der Voͤgel, das Pfeifen des Windes und<lb/>
das Rauſchen der Waſſerfaͤlle. Manchmal hoͤrte<lb/>
ich auch die goͤttliche Stimme: Adam, wo biſt<lb/>
du? Hier bin ich, Franſcheska, rief ich dann,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[290/0298]
iſt, wenn man ſich auf den Appeninen verliebt
hat. Man gebehrdet ſich nemlich wie ein Narr,
man tanzt uͤber Huͤgel und Felſen und glaubt,
die ganze Welt tanze mit. Zu Muthe iſt einem
dabey, als ſey die Welt erſt heute erſchaffen
worden, und man ſey der erſte Menſch. Ach,
wie ſchoͤn iſt das Alles! jauchzte ich, als ich
Franſcheskas Wohnung verlaſſen hatte. Wie
ſchoͤn und koſtbar iſt dieſe neue Welt! Es war
mir, als muͤßte ich allen Pflanzen und Thieren
einen Namen geben, und ich benannte Alles nach
ſeiner innern Natur und nach meinem eignen
Gefuͤhl, das mit den Außendingen ſo wunderbar
verſchmolz. Meine Bruſt war eine Quelle von
Offenbarung, und ich verſtand alle Formen und
Geſtaltungen, den Duft der Pflanzen, den Ge¬
ſang der Voͤgel, das Pfeifen des Windes und
das Rauſchen der Waſſerfaͤlle. Manchmal hoͤrte
ich auch die goͤttliche Stimme: Adam, wo biſt
du? Hier bin ich, Franſcheska, rief ich dann,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/298>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.