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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

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Wetterstange wäre, die das schreckliche Feuer an¬
derswo hin zu leiten vermöchte. Ich fürchte aber,
dem kleinen Amor kann man seine Pfeile nicht
so leicht rauben, wie dem Jupiter seinen Blitz
und den Tyrannen ihr Zepter. Außerdem wirkt
nicht jede Liebe blitzartig; manchmal lauert
sie, wie eine Schlange unter Rosen, und erspäht
die erste Herzenslücke, um hineinzuschlüpfen;
manchmal ist es nur ein Wort, ein Blick, die
Erzählung einer unscheinbaren Handlung, was
wie ein lichtes Samenkorn in unser Herz fällt,
eine ganze Winterzeit ruhig darin liegt, bis der
Frühling kommt, und das kleine Samenkorn auf¬
schießt zu einer flammenden Blume, deren Duft
den Kopf betäubt. Dieselbe Sonne, die im Nil¬
thal Egyptens Krokodilleneyer ausbrütet, kann zu¬
gleich zu Potsdam an der Havel die Liebessaat
in einem jungen Herzen zur Vollreife bringen --
dann giebt es Thränen in Egypten und Pots¬
dam. Aber Thränen sind noch lange keine Erklä¬

Wetterſtange waͤre, die das ſchreckliche Feuer an¬
derswo hin zu leiten vermoͤchte. Ich fuͤrchte aber,
dem kleinen Amor kann man ſeine Pfeile nicht
ſo leicht rauben, wie dem Jupiter ſeinen Blitz
und den Tyrannen ihr Zepter. Außerdem wirkt
nicht jede Liebe blitzartig; manchmal lauert
ſie, wie eine Schlange unter Roſen, und erſpaͤht
die erſte Herzensluͤcke, um hineinzuſchluͤpfen;
manchmal iſt es nur ein Wort, ein Blick, die
Erzaͤhlung einer unſcheinbaren Handlung, was
wie ein lichtes Samenkorn in unſer Herz faͤllt,
eine ganze Winterzeit ruhig darin liegt, bis der
Fruͤhling kommt, und das kleine Samenkorn auf¬
ſchießt zu einer flammenden Blume, deren Duft
den Kopf betaͤubt. Dieſelbe Sonne, die im Nil¬
thal Egyptens Krokodilleneyer ausbruͤtet, kann zu¬
gleich zu Potsdam an der Havel die Liebesſaat
in einem jungen Herzen zur Vollreife bringen —
dann giebt es Thraͤnen in Egypten und Pots¬
dam. Aber Thraͤnen ſind noch lange keine Erklaͤ¬

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[288/0296] Wetterſtange waͤre, die das ſchreckliche Feuer an¬ derswo hin zu leiten vermoͤchte. Ich fuͤrchte aber, dem kleinen Amor kann man ſeine Pfeile nicht ſo leicht rauben, wie dem Jupiter ſeinen Blitz und den Tyrannen ihr Zepter. Außerdem wirkt nicht jede Liebe blitzartig; manchmal lauert ſie, wie eine Schlange unter Roſen, und erſpaͤht die erſte Herzensluͤcke, um hineinzuſchluͤpfen; manchmal iſt es nur ein Wort, ein Blick, die Erzaͤhlung einer unſcheinbaren Handlung, was wie ein lichtes Samenkorn in unſer Herz faͤllt, eine ganze Winterzeit ruhig darin liegt, bis der Fruͤhling kommt, und das kleine Samenkorn auf¬ ſchießt zu einer flammenden Blume, deren Duft den Kopf betaͤubt. Dieſelbe Sonne, die im Nil¬ thal Egyptens Krokodilleneyer ausbruͤtet, kann zu¬ gleich zu Potsdam an der Havel die Liebesſaat in einem jungen Herzen zur Vollreife bringen — dann giebt es Thraͤnen in Egypten und Pots¬ dam. Aber Thraͤnen ſind noch lange keine Erklaͤ¬

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/296>, abgerufen am 22.11.2024.