auf dem Antlitz ihrer Madonnen gleich bemerken. Nichts ist schrecklicher als solche Bemerkungen! Einst freylich, glaubte ich, die Treulosigkeit der Frauen sey das Schrecklichste, und um dann das Schrecklichste zu sagen, nannte ich sie Schlangen. Aber, ach! jetzt weiß ich, das Schrecklichste ist, daß sie nicht ganz Schlangen sind; denn die Schlan¬ gen können jedes Jahr die alte Haut von sich abstreifen und neugehäutet sich verjüngen.
Ob einer von den beiden antiken Seladons darüber eifersüchtig war, daß der Markese, oder vielmehr dessen Nase, oberwähntermaßen in Wonne schwamm, das konnte ich nicht bemerken. Bar¬ tolo saß gemüthsruhig auf seinem Bänkchen, die Beinstöckchen über einander geschlagen, und spielte mit Signoras Schooßhündchen, einem jener hüb¬ schen Thierchen, die in Bologna zu Hause sind und die man auch bey uns unter dem Namen Bologneser kennt. Der Professor ließ sich durchaus nicht stören in seinem Gesange, den
auf dem Antlitz ihrer Madonnen gleich bemerken. Nichts iſt ſchrecklicher als ſolche Bemerkungen! Einſt freylich, glaubte ich, die Treuloſigkeit der Frauen ſey das Schrecklichſte, und um dann das Schrecklichſte zu ſagen, nannte ich ſie Schlangen. Aber, ach! jetzt weiß ich, das Schrecklichſte iſt, daß ſie nicht ganz Schlangen ſind; denn die Schlan¬ gen koͤnnen jedes Jahr die alte Haut von ſich abſtreifen und neugehaͤutet ſich verjuͤngen.
Ob einer von den beiden antiken Seladons daruͤber eiferſuͤchtig war, daß der Markeſe, oder vielmehr deſſen Naſe, oberwaͤhntermaßen in Wonne ſchwamm, das konnte ich nicht bemerken. Bar¬ tolo ſaß gemuͤthsruhig auf ſeinem Baͤnkchen, die Beinſtoͤckchen uͤber einander geſchlagen, und ſpielte mit Signoras Schooßhuͤndchen, einem jener huͤb¬ ſchen Thierchen, die in Bologna zu Hauſe ſind und die man auch bey uns unter dem Namen Bologneſer kennt. Der Profeſſor ließ ſich durchaus nicht ſtoͤren in ſeinem Geſange, den
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0270"n="262"/>
auf dem Antlitz ihrer Madonnen gleich bemerken.<lb/>
Nichts iſt ſchrecklicher als ſolche Bemerkungen!<lb/>
Einſt freylich, glaubte ich, die Treuloſigkeit der<lb/>
Frauen ſey das Schrecklichſte, und um dann das<lb/>
Schrecklichſte zu ſagen, nannte ich ſie Schlangen.<lb/>
Aber, ach! jetzt weiß ich, das Schrecklichſte iſt, daß<lb/>ſie nicht ganz Schlangen ſind; denn die Schlan¬<lb/>
gen koͤnnen jedes Jahr die alte Haut von ſich<lb/>
abſtreifen und neugehaͤutet ſich verjuͤngen.</p><lb/><p>Ob einer von den beiden antiken Seladons<lb/>
daruͤber eiferſuͤchtig war, daß der Markeſe, oder<lb/>
vielmehr deſſen Naſe, oberwaͤhntermaßen in Wonne<lb/>ſchwamm, das konnte ich nicht bemerken. Bar¬<lb/>
tolo ſaß gemuͤthsruhig auf ſeinem Baͤnkchen, die<lb/>
Beinſtoͤckchen uͤber einander geſchlagen, <choice><sic>nnd</sic><corr>und</corr></choice>ſpielte<lb/>
mit Signoras Schooßhuͤndchen, einem jener huͤb¬<lb/>ſchen Thierchen, die in Bologna zu Hauſe ſind<lb/>
und die man auch bey uns unter dem Namen<lb/>
Bologneſer kennt. Der Profeſſor ließ ſich<lb/>
durchaus nicht ſtoͤren in ſeinem Geſange, den<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[262/0270]
auf dem Antlitz ihrer Madonnen gleich bemerken.
Nichts iſt ſchrecklicher als ſolche Bemerkungen!
Einſt freylich, glaubte ich, die Treuloſigkeit der
Frauen ſey das Schrecklichſte, und um dann das
Schrecklichſte zu ſagen, nannte ich ſie Schlangen.
Aber, ach! jetzt weiß ich, das Schrecklichſte iſt, daß
ſie nicht ganz Schlangen ſind; denn die Schlan¬
gen koͤnnen jedes Jahr die alte Haut von ſich
abſtreifen und neugehaͤutet ſich verjuͤngen.
Ob einer von den beiden antiken Seladons
daruͤber eiferſuͤchtig war, daß der Markeſe, oder
vielmehr deſſen Naſe, oberwaͤhntermaßen in Wonne
ſchwamm, das konnte ich nicht bemerken. Bar¬
tolo ſaß gemuͤthsruhig auf ſeinem Baͤnkchen, die
Beinſtoͤckchen uͤber einander geſchlagen, und ſpielte
mit Signoras Schooßhuͤndchen, einem jener huͤb¬
ſchen Thierchen, die in Bologna zu Hauſe ſind
und die man auch bey uns unter dem Namen
Bologneſer kennt. Der Profeſſor ließ ſich
durchaus nicht ſtoͤren in ſeinem Geſange, den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/270>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.