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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

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auf dem Antlitz ihrer Madonnen gleich bemerken.
Nichts ist schrecklicher als solche Bemerkungen!
Einst freylich, glaubte ich, die Treulosigkeit der
Frauen sey das Schrecklichste, und um dann das
Schrecklichste zu sagen, nannte ich sie Schlangen.
Aber, ach! jetzt weiß ich, das Schrecklichste ist, daß
sie nicht ganz Schlangen sind; denn die Schlan¬
gen können jedes Jahr die alte Haut von sich
abstreifen und neugehäutet sich verjüngen.

Ob einer von den beiden antiken Seladons
darüber eifersüchtig war, daß der Markese, oder
vielmehr dessen Nase, oberwähntermaßen in Wonne
schwamm, das konnte ich nicht bemerken. Bar¬
tolo saß gemüthsruhig auf seinem Bänkchen, die
Beinstöckchen über einander geschlagen, und spielte
mit Signoras Schooßhündchen, einem jener hüb¬
schen Thierchen, die in Bologna zu Hause sind
und die man auch bey uns unter dem Namen
Bologneser kennt. Der Professor ließ sich
durchaus nicht stören in seinem Gesange, den

auf dem Antlitz ihrer Madonnen gleich bemerken.
Nichts iſt ſchrecklicher als ſolche Bemerkungen!
Einſt freylich, glaubte ich, die Treuloſigkeit der
Frauen ſey das Schrecklichſte, und um dann das
Schrecklichſte zu ſagen, nannte ich ſie Schlangen.
Aber, ach! jetzt weiß ich, das Schrecklichſte iſt, daß
ſie nicht ganz Schlangen ſind; denn die Schlan¬
gen koͤnnen jedes Jahr die alte Haut von ſich
abſtreifen und neugehaͤutet ſich verjuͤngen.

Ob einer von den beiden antiken Seladons
daruͤber eiferſuͤchtig war, daß der Markeſe, oder
vielmehr deſſen Naſe, oberwaͤhntermaßen in Wonne
ſchwamm, das konnte ich nicht bemerken. Bar¬
tolo ſaß gemuͤthsruhig auf ſeinem Baͤnkchen, die
Beinſtoͤckchen uͤber einander geſchlagen, und ſpielte
mit Signoras Schooßhuͤndchen, einem jener huͤb¬
ſchen Thierchen, die in Bologna zu Hauſe ſind
und die man auch bey uns unter dem Namen
Bologneſer kennt. Der Profeſſor ließ ſich
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[262/0270] auf dem Antlitz ihrer Madonnen gleich bemerken. Nichts iſt ſchrecklicher als ſolche Bemerkungen! Einſt freylich, glaubte ich, die Treuloſigkeit der Frauen ſey das Schrecklichſte, und um dann das Schrecklichſte zu ſagen, nannte ich ſie Schlangen. Aber, ach! jetzt weiß ich, das Schrecklichſte iſt, daß ſie nicht ganz Schlangen ſind; denn die Schlan¬ gen koͤnnen jedes Jahr die alte Haut von ſich abſtreifen und neugehaͤutet ſich verjuͤngen. Ob einer von den beiden antiken Seladons daruͤber eiferſuͤchtig war, daß der Markeſe, oder vielmehr deſſen Naſe, oberwaͤhntermaßen in Wonne ſchwamm, das konnte ich nicht bemerken. Bar¬ tolo ſaß gemuͤthsruhig auf ſeinem Baͤnkchen, die Beinſtoͤckchen uͤber einander geſchlagen, und ſpielte mit Signoras Schooßhuͤndchen, einem jener huͤb¬ ſchen Thierchen, die in Bologna zu Hauſe ſind und die man auch bey uns unter dem Namen Bologneſer kennt. Der Profeſſor ließ ſich durchaus nicht ſtoͤren in ſeinem Geſange, den

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/270>, abgerufen am 22.11.2024.