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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

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so bin ich doch noch immer ein großer Kunstken¬
ner, ein Kenner von Malerey, Musik und Poesie.
Sie sollen mir die Augen zubinden und mich in
der Gallerie zu Florenz herumführen, und bey
jedem Gemälde, vor welches Sie mich hinstellen,
will ich Ihnen den Maler nennen, der es ge¬
malt hat, oder wenigstens die Schule, wozu
dieser Maler gehört. Musik? Verstopfen Sie
mir die Ohren und ich höre doch jede falsche
Note. Poesie? Ich kenne alle Schauspielerinnen
Deutschlands und die Dichter weiß ich aus¬
wendig. Und gar Natur! Ich bin zwey hun¬
dert Meilen gereist, Tag und Nacht durch,
um in Schottland einen einzigen Berg zu sehen.
Italien aber geht über alles. Wie gefällt Ihnen
hier diese Naturgegend? Welche Schöpfung!
Sehen Sie mal die Bäume, die Berge, den
Himmel, da unten das Wasser -- ist nicht alles
wie gemalt? Haben Sie es je im Theater schöner
gesehen? Man wird so zu sagen ein Dichter!

ſo bin ich doch noch immer ein großer Kunſtken¬
ner, ein Kenner von Malerey, Muſik und Poeſie.
Sie ſollen mir die Augen zubinden und mich in
der Gallerie zu Florenz herumfuͤhren, und bey
jedem Gemaͤlde, vor welches Sie mich hinſtellen,
will ich Ihnen den Maler nennen, der es ge¬
malt hat, oder wenigſtens die Schule, wozu
dieſer Maler gehoͤrt. Muſik? Verſtopfen Sie
mir die Ohren und ich hoͤre doch jede falſche
Note. Poeſie? Ich kenne alle Schauſpielerinnen
Deutſchlands und die Dichter weiß ich aus¬
wendig. Und gar Natur! Ich bin zwey hun¬
dert Meilen gereiſt, Tag und Nacht durch,
um in Schottland einen einzigen Berg zu ſehen.
Italien aber geht uͤber alles. Wie gefaͤllt Ihnen
hier dieſe Naturgegend? Welche Schoͤpfung!
Sehen Sie mal die Baͤume, die Berge, den
Himmel, da unten das Waſſer — iſt nicht alles
wie gemalt? Haben Sie es je im Theater ſchoͤner
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[246/0254] ſo bin ich doch noch immer ein großer Kunſtken¬ ner, ein Kenner von Malerey, Muſik und Poeſie. Sie ſollen mir die Augen zubinden und mich in der Gallerie zu Florenz herumfuͤhren, und bey jedem Gemaͤlde, vor welches Sie mich hinſtellen, will ich Ihnen den Maler nennen, der es ge¬ malt hat, oder wenigſtens die Schule, wozu dieſer Maler gehoͤrt. Muſik? Verſtopfen Sie mir die Ohren und ich hoͤre doch jede falſche Note. Poeſie? Ich kenne alle Schauſpielerinnen Deutſchlands und die Dichter weiß ich aus¬ wendig. Und gar Natur! Ich bin zwey hun¬ dert Meilen gereiſt, Tag und Nacht durch, um in Schottland einen einzigen Berg zu ſehen. Italien aber geht uͤber alles. Wie gefaͤllt Ihnen hier dieſe Naturgegend? Welche Schoͤpfung! Sehen Sie mal die Baͤume, die Berge, den Himmel, da unten das Waſſer — iſt nicht alles wie gemalt? Haben Sie es je im Theater ſchoͤner geſehen? Man wird ſo zu ſagen ein Dichter!

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/254>, abgerufen am 22.11.2024.