und gehören zu dem Cyklus großer Meister, die größtentheils zur Zeit des Raphael blühten, einer Zeit, die auf Rubens noch ihren unmittelbaren Einfluß üben konnte, die aber von der unsrigen so abgeschieden ist, daß wir ob der Erscheinung des Peter Cornelius fast erschrecken, daß er uns manchmal vorkommt, wie der Geist eines jener großen Maler aus raphaelscher Zeit, der aus dem Grabe hervorsteige, um noch einige Bilder zu malen, ein todter Schöpfer, selbstbeschworen durch das mitbegrabene, inwohnende Lebens¬ wort. Betrachten wir seine Bilder, so sehen sie uns an, wie mit Augen des funfzehnten Jahr¬ hunderts, gespenstisch sind die Gewänder, als rauschten sie uns vorbey um Mitternacht, zau¬ berkräftig sind die Leiber, traumrichtig gezeichnet, gewaltsam wahr, nur das Blut fehlt ihnen, das pulsirende Leben, die Farbe. Ja, Cornelius ist ein Schöpfer, doch betrachten wir seine Geschöpfe, so will es uns bedünken, als könnten sie alle
und gehoͤren zu dem Cyklus großer Meiſter, die groͤßtentheils zur Zeit des Raphael bluͤhten, einer Zeit, die auf Rubens noch ihren unmittelbaren Einfluß uͤben konnte, die aber von der unſrigen ſo abgeſchieden iſt, daß wir ob der Erſcheinung des Peter Cornelius faſt erſchrecken, daß er uns manchmal vorkommt, wie der Geiſt eines jener großen Maler aus raphaelſcher Zeit, der aus dem Grabe hervorſteige, um noch einige Bilder zu malen, ein todter Schoͤpfer, ſelbſtbeſchworen durch das mitbegrabene, inwohnende Lebens¬ wort. Betrachten wir ſeine Bilder, ſo ſehen ſie uns an, wie mit Augen des funfzehnten Jahr¬ hunderts, geſpenſtiſch ſind die Gewaͤnder, als rauſchten ſie uns vorbey um Mitternacht, zau¬ berkraͤftig ſind die Leiber, traumrichtig gezeichnet, gewaltſam wahr, nur das Blut fehlt ihnen, das pulſirende Leben, die Farbe. Ja, Cornelius iſt ein Schoͤpfer, doch betrachten wir ſeine Geſchoͤpfe, ſo will es uns beduͤnken, als koͤnnten ſie alle
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und gehoͤren zu dem Cyklus großer Meiſter, die
groͤßtentheils zur Zeit des Raphael bluͤhten, einer
Zeit, die auf Rubens noch ihren unmittelbaren
Einfluß uͤben konnte, die aber von der unſrigen
ſo abgeſchieden iſt, daß wir ob der Erſcheinung
des Peter Cornelius faſt erſchrecken, daß er uns
manchmal vorkommt, wie der Geiſt eines jener
großen Maler aus raphaelſcher Zeit, der aus
dem Grabe hervorſteige, um noch einige Bilder
zu malen, ein todter Schoͤpfer, ſelbſtbeſchworen
durch das mitbegrabene, inwohnende Lebens¬
wort. Betrachten wir ſeine Bilder, ſo ſehen ſie
uns an, wie mit Augen des funfzehnten Jahr¬
hunderts, geſpenſtiſch ſind die Gewaͤnder, als
rauſchten ſie uns vorbey um Mitternacht, zau¬
berkraͤftig ſind die Leiber, traumrichtig gezeichnet,
gewaltſam wahr, nur das Blut fehlt ihnen, das
pulſirende Leben, die Farbe. Ja, Cornelius iſt
ein Schoͤpfer, doch betrachten wir ſeine Geſchoͤpfe,
ſo will es uns beduͤnken, als koͤnnten ſie alle
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/214>, abgerufen am 24.11.2024.
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