Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

nen -- und nichts destoweniger ist mir biswei¬
len zu Sinn, als hätten beide dennoch Aehn¬
lichkeiten, die ich mehr ahnen als anschauen
könne. Vielleicht sind landsmannschaftliche Ei¬
genheiten in ihnen verborgen, die den dritten
Landsmann, nemlich mich, wie leise heimische
Laute ansprechen. Diese geheime Verwandtschaft
besteht aber nimmermehr in der niederländischen
Heiterkeit und Farbenlust, die uns aus allen
Bildern des Rubens entgegenlacht, so daß man
meynen sollte, er habe sie im freudigen Rhein¬
weinrausch gemalt, während tanzende Kirmes¬
musik um ihn her jubelte. Wahrlich die Bilder
des Cornelius scheinen eher am Charfreytage ge¬
malt zu seyn, während die schwermüthigen Leidens¬
lieder der Prozession durch die Straßen zogen
und im Atelier und Herzen des Malers wieder¬
hallten. In der Produktivität, in der Schöpfungs¬
kühnheit, in der genialen Ursprünglichkeit, sind
sich beide ähnlicher, beide sind geborne Maler,

nen — und nichts deſtoweniger iſt mir biswei¬
len zu Sinn, als haͤtten beide dennoch Aehn¬
lichkeiten, die ich mehr ahnen als anſchauen
koͤnne. Vielleicht ſind landsmannſchaftliche Ei¬
genheiten in ihnen verborgen, die den dritten
Landsmann, nemlich mich, wie leiſe heimiſche
Laute anſprechen. Dieſe geheime Verwandtſchaft
beſteht aber nimmermehr in der niederlaͤndiſchen
Heiterkeit und Farbenluſt, die uns aus allen
Bildern des Rubens entgegenlacht, ſo daß man
meynen ſollte, er habe ſie im freudigen Rhein¬
weinrauſch gemalt, waͤhrend tanzende Kirmes¬
muſik um ihn her jubelte. Wahrlich die Bilder
des Cornelius ſcheinen eher am Charfreytage ge¬
malt zu ſeyn, waͤhrend die ſchwermuͤthigen Leidens¬
lieder der Prozeſſion durch die Straßen zogen
und im Atelier und Herzen des Malers wieder¬
hallten. In der Produktivitaͤt, in der Schoͤpfungs¬
kuͤhnheit, in der genialen Urſpruͤnglichkeit, ſind
ſich beide aͤhnlicher, beide ſind geborne Maler,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0213" n="205"/>
nen &#x2014; und nichts de&#x017F;toweniger i&#x017F;t mir biswei¬<lb/>
len zu Sinn, als ha&#x0364;tten beide dennoch Aehn¬<lb/>
lichkeiten, die ich mehr ahnen als an&#x017F;chauen<lb/>
ko&#x0364;nne. Vielleicht &#x017F;ind landsmann&#x017F;chaftliche Ei¬<lb/>
genheiten in ihnen verborgen, die den dritten<lb/>
Landsmann, nemlich mich, wie lei&#x017F;e heimi&#x017F;che<lb/>
Laute an&#x017F;prechen. Die&#x017F;e geheime Verwandt&#x017F;chaft<lb/>
be&#x017F;teht aber nimmermehr in der niederla&#x0364;ndi&#x017F;chen<lb/>
Heiterkeit und Farbenlu&#x017F;t, die uns aus allen<lb/>
Bildern des Rubens entgegenlacht, &#x017F;o daß man<lb/>
meynen &#x017F;ollte, er habe &#x017F;ie im freudigen Rhein¬<lb/>
weinrau&#x017F;ch gemalt, wa&#x0364;hrend tanzende Kirmes¬<lb/>
mu&#x017F;ik um ihn her jubelte. Wahrlich die Bilder<lb/>
des Cornelius &#x017F;cheinen eher am Charfreytage ge¬<lb/>
malt zu &#x017F;eyn, wa&#x0364;hrend die &#x017F;chwermu&#x0364;thigen Leidens¬<lb/>
lieder der Proze&#x017F;&#x017F;ion durch die Straßen zogen<lb/>
und im Atelier und Herzen des Malers wieder¬<lb/>
hallten. In der Produktivita&#x0364;t, in der Scho&#x0364;pfungs¬<lb/>
ku&#x0364;hnheit, in der genialen Ur&#x017F;pru&#x0364;nglichkeit, &#x017F;ind<lb/>
&#x017F;ich beide a&#x0364;hnlicher, beide &#x017F;ind geborne Maler,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0213] nen — und nichts deſtoweniger iſt mir biswei¬ len zu Sinn, als haͤtten beide dennoch Aehn¬ lichkeiten, die ich mehr ahnen als anſchauen koͤnne. Vielleicht ſind landsmannſchaftliche Ei¬ genheiten in ihnen verborgen, die den dritten Landsmann, nemlich mich, wie leiſe heimiſche Laute anſprechen. Dieſe geheime Verwandtſchaft beſteht aber nimmermehr in der niederlaͤndiſchen Heiterkeit und Farbenluſt, die uns aus allen Bildern des Rubens entgegenlacht, ſo daß man meynen ſollte, er habe ſie im freudigen Rhein¬ weinrauſch gemalt, waͤhrend tanzende Kirmes¬ muſik um ihn her jubelte. Wahrlich die Bilder des Cornelius ſcheinen eher am Charfreytage ge¬ malt zu ſeyn, waͤhrend die ſchwermuͤthigen Leidens¬ lieder der Prozeſſion durch die Straßen zogen und im Atelier und Herzen des Malers wieder¬ hallten. In der Produktivitaͤt, in der Schoͤpfungs¬ kuͤhnheit, in der genialen Urſpruͤnglichkeit, ſind ſich beide aͤhnlicher, beide ſind geborne Maler,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/213
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/213>, abgerufen am 27.11.2024.