Häuser dienen hier den Einwohnern, die meistens Kaufleute sind, fast nur zu Waarenlagern, und des Nachts zu Schlafstellen; den schachernden Tag über laufen sie umher in der Stadt oder sitzen vor ihrer Hausthüre, oder vielmehr in der Hausthüre, denn sonst würden sich die Gegen¬ überwohnenden einander mit den Knieen berühren.
Von der Seeseite, besonders gegen Abend, gewährt die Stadt einen bessern Anblick. Da liegt sie am Meere, wie das gebleichte Skelett eines ausgeworfenen Riesenthiers, dunkle Amei¬ sen, die sich Genueser nennen, kriechen darin herum, die blauen Meereswellen bespülen es plätschernd wie ein Ammenlied, der Mond, das blasse Auge der Nacht, schaut mit Wehmuth darauf hinab.
Im Garten des Palazzo Doria steht der alte Seeheld als Neptun in einem großen Wasser¬
Haͤuſer dienen hier den Einwohnern, die meiſtens Kaufleute ſind, faſt nur zu Waarenlagern, und des Nachts zu Schlafſtellen; den ſchachernden Tag uͤber laufen ſie umher in der Stadt oder ſitzen vor ihrer Hausthuͤre, oder vielmehr in der Hausthuͤre, denn ſonſt wuͤrden ſich die Gegen¬ uͤberwohnenden einander mit den Knieen beruͤhren.
Von der Seeſeite, beſonders gegen Abend, gewaͤhrt die Stadt einen beſſern Anblick. Da liegt ſie am Meere, wie das gebleichte Skelett eines ausgeworfenen Rieſenthiers, dunkle Amei¬ ſen, die ſich Genueſer nennen, kriechen darin herum, die blauen Meereswellen beſpuͤlen es plaͤtſchernd wie ein Ammenlied, der Mond, das blaſſe Auge der Nacht, ſchaut mit Wehmuth darauf hinab.
Im Garten des Palazzo Doria ſteht der alte Seeheld als Neptun in einem großen Waſſer¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0210"n="202"/>
Haͤuſer dienen hier den Einwohnern, die meiſtens<lb/>
Kaufleute ſind, faſt nur zu Waarenlagern, und<lb/>
des Nachts zu Schlafſtellen; den ſchachernden<lb/>
Tag uͤber laufen ſie umher in der Stadt oder<lb/>ſitzen vor ihrer Hausthuͤre, oder vielmehr in der<lb/>
Hausthuͤre, denn ſonſt wuͤrden ſich die Gegen¬<lb/>
uͤberwohnenden einander mit den Knieen beruͤhren.</p><lb/><p>Von der Seeſeite, beſonders gegen Abend,<lb/>
gewaͤhrt die Stadt einen beſſern Anblick. Da<lb/>
liegt ſie am Meere, wie das gebleichte Skelett<lb/>
eines ausgeworfenen Rieſenthiers, dunkle Amei¬<lb/>ſen, die ſich Genueſer nennen, kriechen darin<lb/>
herum, die blauen Meereswellen beſpuͤlen es<lb/>
plaͤtſchernd wie ein Ammenlied, der Mond, das<lb/>
blaſſe Auge der Nacht, ſchaut mit Wehmuth<lb/>
darauf hinab.</p><lb/><p>Im Garten des Palazzo Doria ſteht der alte<lb/>
Seeheld als Neptun in einem großen Waſſer¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[202/0210]
Haͤuſer dienen hier den Einwohnern, die meiſtens
Kaufleute ſind, faſt nur zu Waarenlagern, und
des Nachts zu Schlafſtellen; den ſchachernden
Tag uͤber laufen ſie umher in der Stadt oder
ſitzen vor ihrer Hausthuͤre, oder vielmehr in der
Hausthuͤre, denn ſonſt wuͤrden ſich die Gegen¬
uͤberwohnenden einander mit den Knieen beruͤhren.
Von der Seeſeite, beſonders gegen Abend,
gewaͤhrt die Stadt einen beſſern Anblick. Da
liegt ſie am Meere, wie das gebleichte Skelett
eines ausgeworfenen Rieſenthiers, dunkle Amei¬
ſen, die ſich Genueſer nennen, kriechen darin
herum, die blauen Meereswellen beſpuͤlen es
plaͤtſchernd wie ein Ammenlied, der Mond, das
blaſſe Auge der Nacht, ſchaut mit Wehmuth
darauf hinab.
Im Garten des Palazzo Doria ſteht der alte
Seeheld als Neptun in einem großen Waſſer¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/210>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.