schränkt und der russische Adel entsteht durch Staats¬ dienste; Rußland ist ein demokratischer Staat, ich möchte es sogar einen christlichen Staat nennen, wenn ich dieses oft mißbrauchte Wort in seinem süßesten, weltbürgerlichsten Sinne anwen¬ den wollte: denn die Russen werden schon durch den Umfang ihres Reichs von der Engherzigkeit eines heidnischen Nazionalsinnes befreyt, sie sind Cosmopoliten, oder wenigstens Sechstel-Cosmopo¬ liten, da Rußland fast den sechsten Theil der bewohnten Welt ausmacht --
Und wahrlich, wenn irgend ein Deutschrusse, wie mein Liefländischer Reisegefährte, pralerisch patriotisch thut, und von unserem Rußland und unserem Diebitsch spricht, so ist mir als hörte ich einen Häring, der das Weltmeer für sein Vaterland und den Wallfisch für seinen Lands¬ mann ausgiebt.
ſchraͤnkt und der ruſſiſche Adel entſteht durch Staats¬ dienſte; Rußland iſt ein demokratiſcher Staat, ich moͤchte es ſogar einen chriſtlichen Staat nennen, wenn ich dieſes oft mißbrauchte Wort in ſeinem ſuͤßeſten, weltbuͤrgerlichſten Sinne anwen¬ den wollte: denn die Ruſſen werden ſchon durch den Umfang ihres Reichs von der Engherzigkeit eines heidniſchen Nazionalſinnes befreyt, ſie ſind Cosmopoliten, oder wenigſtens Sechstel-Cosmopo¬ liten, da Rußland faſt den ſechſten Theil der bewohnten Welt ausmacht —
Und wahrlich, wenn irgend ein Deutſchruſſe, wie mein Lieflaͤndiſcher Reiſegefaͤhrte, praleriſch patriotiſch thut, und von unſerem Rußland und unſerem Diebitſch ſpricht, ſo iſt mir als hoͤrte ich einen Haͤring, der das Weltmeer fuͤr ſein Vaterland und den Wallfiſch fuͤr ſeinen Lands¬ mann ausgiebt.
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ſchraͤnkt und der ruſſiſche Adel entſteht durch Staats¬
dienſte; Rußland iſt ein demokratiſcher Staat,
ich moͤchte es ſogar einen chriſtlichen Staat
nennen, wenn ich dieſes oft mißbrauchte Wort in
ſeinem ſuͤßeſten, weltbuͤrgerlichſten Sinne anwen¬
den wollte: denn die Ruſſen werden ſchon durch
den Umfang ihres Reichs von der Engherzigkeit
eines heidniſchen Nazionalſinnes befreyt, ſie ſind
Cosmopoliten, oder wenigſtens Sechstel-Cosmopo¬
liten, da Rußland faſt den ſechſten Theil der
bewohnten Welt ausmacht —
Und wahrlich, wenn irgend ein Deutſchruſſe,
wie mein Lieflaͤndiſcher Reiſegefaͤhrte, praleriſch
patriotiſch thut, und von unſerem Rußland und
unſerem Diebitſch ſpricht, ſo iſt mir als hoͤrte
ich einen Haͤring, der das Weltmeer fuͤr ſein
Vaterland und den Wallfiſch fuͤr ſeinen Lands¬
mann ausgiebt.
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/200>, abgerufen am 25.11.2024.
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