Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

Laßt uns die Franzosen preisen! sie sorgten
für die zwey größten Bedürfnisse der menschlichen
Gesellschaft, für gutes Essen und bürgerliche
Gleichheit, in der Kochkunst und in der Freyheit
haben sie die größten Fortschritte gemacht, und
wenn wir einst alle, als gleiche Gäste, das große
Versöhnungsmahl halten, und guter Dinge sind,
-- denn was gäbe es Besseres als eine Gesell¬
schaft von Pairs an einem gutbesetzten Tische? --
dann wollen wir den Franzosen den ersten Toast
darbringen. Es wird freylich noch einige Zeit
dauern, bis dieses Fest gefeyert werden kann, bis
die Emanzipazion durchgesetzt seyn wird; aber
sie wird doch endlich kommen, diese Zeit, wir
werden, versöhnt und allgleich, um denselben
Tisch sitzen; wir sind dann vereinigt, und kämpfen
vereinigt gegen andere Weltübel, vielleicht am Ende
gar gegen den Tod -- dessen ernstes Gleichheits¬
system uns wenigstens nicht so sehr beleidigt, wie die
lachende Ungleichheitslehre des Aristokratismus.

Laßt uns die Franzoſen preiſen! ſie ſorgten
fuͤr die zwey groͤßten Beduͤrfniſſe der menſchlichen
Geſellſchaft, fuͤr gutes Eſſen und buͤrgerliche
Gleichheit, in der Kochkunſt und in der Freyheit
haben ſie die groͤßten Fortſchritte gemacht, und
wenn wir einſt alle, als gleiche Gaͤſte, das große
Verſoͤhnungsmahl halten, und guter Dinge ſind,
— denn was gaͤbe es Beſſeres als eine Geſell¬
ſchaft von Pairs an einem gutbeſetzten Tiſche? —
dann wollen wir den Franzoſen den erſten Toaſt
darbringen. Es wird freylich noch einige Zeit
dauern, bis dieſes Feſt gefeyert werden kann, bis
die Emanzipazion durchgeſetzt ſeyn wird; aber
ſie wird doch endlich kommen, dieſe Zeit, wir
werden, verſoͤhnt und allgleich, um denſelben
Tiſch ſitzen; wir ſind dann vereinigt, und kaͤmpfen
vereinigt gegen andere Weltuͤbel, vielleicht am Ende
gar gegen den Tod — deſſen ernſtes Gleichheits¬
ſyſtem uns wenigſtens nicht ſo ſehr beleidigt, wie die
lachende Ungleichheitslehre des Ariſtokratismus.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0190" n="182"/>
          <p>Laßt uns die Franzo&#x017F;en prei&#x017F;en! &#x017F;ie &#x017F;orgten<lb/>
fu&#x0364;r die zwey gro&#x0364;ßten Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e der men&#x017F;chlichen<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, fu&#x0364;r gutes E&#x017F;&#x017F;en und bu&#x0364;rgerliche<lb/>
Gleichheit, in der Kochkun&#x017F;t und in der Freyheit<lb/>
haben &#x017F;ie die gro&#x0364;ßten Fort&#x017F;chritte gemacht, und<lb/>
wenn wir ein&#x017F;t alle, als gleiche Ga&#x0364;&#x017F;te, das große<lb/>
Ver&#x017F;o&#x0364;hnungsmahl halten, und guter Dinge &#x017F;ind,<lb/>
&#x2014; denn was ga&#x0364;be es Be&#x017F;&#x017F;eres als eine Ge&#x017F;ell¬<lb/>
&#x017F;chaft von Pairs an einem gutbe&#x017F;etzten Ti&#x017F;che? &#x2014;<lb/>
dann wollen wir den Franzo&#x017F;en den er&#x017F;ten Toa&#x017F;t<lb/>
darbringen. Es wird freylich noch einige Zeit<lb/>
dauern, bis die&#x017F;es Fe&#x017F;t gefeyert werden kann, bis<lb/>
die Emanzipazion durchge&#x017F;etzt &#x017F;eyn wird; aber<lb/>
&#x017F;ie wird doch endlich kommen, die&#x017F;e Zeit, wir<lb/>
werden, ver&#x017F;o&#x0364;hnt und allgleich, um den&#x017F;elben<lb/>
Ti&#x017F;ch &#x017F;itzen; wir &#x017F;ind dann vereinigt, und ka&#x0364;mpfen<lb/>
vereinigt gegen andere Weltu&#x0364;bel, vielleicht am Ende<lb/>
gar gegen den Tod &#x2014; de&#x017F;&#x017F;en ern&#x017F;tes Gleichheits¬<lb/>
&#x017F;y&#x017F;tem uns wenig&#x017F;tens nicht &#x017F;o &#x017F;ehr beleidigt, wie die<lb/>
lachende Ungleichheitslehre des Ari&#x017F;tokratismus.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0190] Laßt uns die Franzoſen preiſen! ſie ſorgten fuͤr die zwey groͤßten Beduͤrfniſſe der menſchlichen Geſellſchaft, fuͤr gutes Eſſen und buͤrgerliche Gleichheit, in der Kochkunſt und in der Freyheit haben ſie die groͤßten Fortſchritte gemacht, und wenn wir einſt alle, als gleiche Gaͤſte, das große Verſoͤhnungsmahl halten, und guter Dinge ſind, — denn was gaͤbe es Beſſeres als eine Geſell¬ ſchaft von Pairs an einem gutbeſetzten Tiſche? — dann wollen wir den Franzoſen den erſten Toaſt darbringen. Es wird freylich noch einige Zeit dauern, bis dieſes Feſt gefeyert werden kann, bis die Emanzipazion durchgeſetzt ſeyn wird; aber ſie wird doch endlich kommen, dieſe Zeit, wir werden, verſoͤhnt und allgleich, um denſelben Tiſch ſitzen; wir ſind dann vereinigt, und kaͤmpfen vereinigt gegen andere Weltuͤbel, vielleicht am Ende gar gegen den Tod — deſſen ernſtes Gleichheits¬ ſyſtem uns wenigſtens nicht ſo ſehr beleidigt, wie die lachende Ungleichheitslehre des Ariſtokratismus.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/190
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/190>, abgerufen am 25.11.2024.