ich anfange, meine guten Berliner zu loben, so hat mein Ruhm bey ihnen ein Ende, und sie zucken die Achsel und flüstern einander zu: Der Mensch wird sehr seicht, uns sogar lobt er. Keine Stadt hat nemlich weniger Lokalpatriotis¬ mus als Berlin. Tausend miserable Schrift¬ steller haben Berlin schon in Prosa und Versen gefeyert, und es hat in Berlin kein Hahn da¬ nach gekräht, und kein Huhn ist ihnen dafür gekocht worden, und man hat sie unter den Linden immer noch für miserable Poeten gehal¬ ten, nach wie vor. Dagegen hat man eben so wenig Notiz davon genommen, wenn irgend ein After-Poet etwa in Parabasen auf Berlin losschalt. Wage es aber mal jemand gegen Polkwitz, Insbruck, Schilda, Posen, Krähwinkel und andre Hauptstädte etwas Anzügliches zu schreiben! Wie würde sich der respektive Patrio¬ tismus dort regen! Der Grund davon ist: Berlin ist gar keine Stadt, sondern Berlin giebt
ich anfange, meine guten Berliner zu loben, ſo hat mein Ruhm bey ihnen ein Ende, und ſie zucken die Achſel und fluͤſtern einander zu: Der Menſch wird ſehr ſeicht, uns ſogar lobt er. Keine Stadt hat nemlich weniger Lokalpatriotis¬ mus als Berlin. Tauſend miſerable Schrift¬ ſteller haben Berlin ſchon in Proſa und Verſen gefeyert, und es hat in Berlin kein Hahn da¬ nach gekraͤht, und kein Huhn iſt ihnen dafuͤr gekocht worden, und man hat ſie unter den Linden immer noch fuͤr miſerable Poeten gehal¬ ten, nach wie vor. Dagegen hat man eben ſo wenig Notiz davon genommen, wenn irgend ein After-Poet etwa in Parabaſen auf Berlin losſchalt. Wage es aber mal jemand gegen Polkwitz, Insbruck, Schilda, Poſen, Kraͤhwinkel und andre Hauptſtaͤdte etwas Anzuͤgliches zu ſchreiben! Wie wuͤrde ſich der reſpektive Patrio¬ tismus dort regen! Der Grund davon iſt: Berlin iſt gar keine Stadt, ſondern Berlin giebt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0019"n="11"/>
ich anfange, meine guten Berliner zu loben,<lb/>ſo hat mein Ruhm bey ihnen ein Ende, und ſie<lb/>
zucken die Achſel und fluͤſtern einander zu: Der<lb/>
Menſch wird ſehr ſeicht, uns ſogar lobt er.<lb/>
Keine Stadt hat nemlich weniger Lokalpatriotis¬<lb/>
mus als Berlin. Tauſend miſerable Schrift¬<lb/>ſteller haben Berlin ſchon in Proſa und Verſen<lb/>
gefeyert, <choice><sic>uud</sic><corr>und</corr></choice> es hat in Berlin kein Hahn da¬<lb/>
nach gekraͤht, und kein Huhn iſt ihnen dafuͤr<lb/>
gekocht worden, und man hat ſie unter den<lb/>
Linden immer noch fuͤr miſerable Poeten gehal¬<lb/>
ten, nach wie vor. Dagegen hat man eben ſo<lb/>
wenig Notiz davon genommen, wenn irgend ein<lb/>
After-Poet etwa in Parabaſen auf Berlin<lb/>
losſchalt. Wage es aber mal jemand gegen<lb/>
Polkwitz, Insbruck, Schilda, Poſen, Kraͤhwinkel<lb/>
und andre Hauptſtaͤdte etwas Anzuͤgliches zu<lb/>ſchreiben! Wie wuͤrde ſich der reſpektive Patrio¬<lb/>
tismus dort regen! Der Grund davon iſt:<lb/>
Berlin iſt gar keine Stadt, ſondern Berlin giebt<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[11/0019]
ich anfange, meine guten Berliner zu loben,
ſo hat mein Ruhm bey ihnen ein Ende, und ſie
zucken die Achſel und fluͤſtern einander zu: Der
Menſch wird ſehr ſeicht, uns ſogar lobt er.
Keine Stadt hat nemlich weniger Lokalpatriotis¬
mus als Berlin. Tauſend miſerable Schrift¬
ſteller haben Berlin ſchon in Proſa und Verſen
gefeyert, und es hat in Berlin kein Hahn da¬
nach gekraͤht, und kein Huhn iſt ihnen dafuͤr
gekocht worden, und man hat ſie unter den
Linden immer noch fuͤr miſerable Poeten gehal¬
ten, nach wie vor. Dagegen hat man eben ſo
wenig Notiz davon genommen, wenn irgend ein
After-Poet etwa in Parabaſen auf Berlin
losſchalt. Wage es aber mal jemand gegen
Polkwitz, Insbruck, Schilda, Poſen, Kraͤhwinkel
und andre Hauptſtaͤdte etwas Anzuͤgliches zu
ſchreiben! Wie wuͤrde ſich der reſpektive Patrio¬
tismus dort regen! Der Grund davon iſt:
Berlin iſt gar keine Stadt, ſondern Berlin giebt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/19>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.