den begegnenden Schiffern allerley Briefe mitzu¬ geben, die man nachher nicht zu besorgen weiß, da sie an längst verstorbene Personen adressirt sind. Manchmal gedenke ich auch des alten, lie¬ ben Mährchens von dem Fischerknaben, der am Strande den nächtlichen Reigen der Meernixen belauscht hatte, und nachher mit seiner Geige die ganze Welt durchzog, und alle Menschen zau¬ berhaft entzückte, wenn er ihnen die Melodie des Nixenwalzers vorspielte. Diese Sage er¬ zählte mir einst ein lieber Freund, als wir, im Conzerte zu Berlin, solch einen wundermächti¬ gen Knaben, den Felix Mendelssohn-Bartholdi, spielen hörten.
Einen eigenthümlichen Reiz gewährt das Kreuzen um die Insel. Das Wetter muß aber schön seyn, die Wolken müssen sich ungewöhnlich gestalten, und man muß rücklings auf dem Ver¬ decke liegen, und in den Himmel sehen, und allen¬ falls auch ein Stückchen Himmel im Herzen ha¬ ben. Die Wellen murmeln alsdann allerley
den begegnenden Schiffern allerley Briefe mitzu¬ geben, die man nachher nicht zu beſorgen weiß, da ſie an laͤngſt verſtorbene Perſonen adreſſirt ſind. Manchmal gedenke ich auch des alten, lie¬ ben Maͤhrchens von dem Fiſcherknaben, der am Strande den naͤchtlichen Reigen der Meernixen belauſcht hatte, und nachher mit ſeiner Geige die ganze Welt durchzog, und alle Menſchen zau¬ berhaft entzuͤckte, wenn er ihnen die Melodie des Nixenwalzers vorſpielte. Dieſe Sage er¬ zaͤhlte mir einſt ein lieber Freund, als wir, im Conzerte zu Berlin, ſolch einen wundermaͤchti¬ gen Knaben, den Felix Mendelsſohn-Bartholdi, ſpielen hoͤrten.
Einen eigenthuͤmlichen Reiz gewaͤhrt das Kreuzen um die Inſel. Das Wetter muß aber ſchoͤn ſeyn, die Wolken muͤſſen ſich ungewoͤhnlich geſtalten, und man muß ruͤcklings auf dem Ver¬ decke liegen, und in den Himmel ſehen, und allen¬ falls auch ein Stuͤckchen Himmel im Herzen ha¬ ben. Die Wellen murmeln alsdann allerley
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den begegnenden Schiffern allerley Briefe mitzu¬
geben, die man nachher nicht zu beſorgen weiß,
da ſie an laͤngſt verſtorbene Perſonen adreſſirt
ſind. Manchmal gedenke ich auch des alten, lie¬
ben Maͤhrchens von dem Fiſcherknaben, der am
Strande den naͤchtlichen Reigen der Meernixen
belauſcht hatte, und nachher mit ſeiner Geige die
ganze Welt durchzog, und alle Menſchen zau¬
berhaft entzuͤckte, wenn er ihnen die Melodie
des Nixenwalzers vorſpielte. Dieſe Sage er¬
zaͤhlte mir einſt ein lieber Freund, als wir, im
Conzerte zu Berlin, ſolch einen wundermaͤchti¬
gen Knaben, den Felix Mendelsſohn-Bartholdi,
ſpielen hoͤrten.
Einen eigenthuͤmlichen Reiz gewaͤhrt das
Kreuzen um die Inſel. Das Wetter muß aber
ſchoͤn ſeyn, die Wolken muͤſſen ſich ungewoͤhnlich
geſtalten, und man muß ruͤcklings auf dem Ver¬
decke liegen, und in den Himmel ſehen, und allen¬
falls auch ein Stuͤckchen Himmel im Herzen ha¬
ben. Die Wellen murmeln alsdann allerley
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/77>, abgerufen am 24.11.2024.
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