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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

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tung oder durch fremde Vermittelung, das Land
Italien kennen, und dabey so leicht bemerken,
wie jeder dasselbe mit subjektiven Augen ansieht,
dieser mit Archenhölzern unmuthigen Augen, die
nur das Schlimme sehen, jener mit begeister¬
ten Corinna-Augen, die überall nur das
Herrliche sehen, während Goethe, mit seinem
klaren Griechenauge, Alles sieht, das Dunkle
und das Helle, nirgends die Dinge mit seiner
Gemüthsstimmung kolorirt, und uns Land und
Menschen schildert, in den wahren Umrissen und
wahren Farben, womit sie Gott umkleidet.

Das ist ein Verdienst Goethes, das erst spä¬
tere Zeiten erkennen werden; denn wir, die
wir meist alle krank sind, stecken viel zu sehr
in unseren kranken, zerrissenen, romantischen
Gefühlen, die wir aus allen Ländern und Zeit¬
altern zusammengelesen, als daß wir unmittel¬
bar sehen könnten, wie gesund, einheitlich und
plastisch sich Goethe in seinen Werken zeigt. Er
selbst merkt es eben so wenig; in seiner naiven

tung oder durch fremde Vermittelung, das Land
Italien kennen, und dabey ſo leicht bemerken,
wie jeder daſſelbe mit ſubjektiven Augen anſieht,
dieſer mit Archenhoͤlzern unmuthigen Augen, die
nur das Schlimme ſehen, jener mit begeiſter¬
ten Corinna-Augen, die uͤberall nur das
Herrliche ſehen, waͤhrend Goethe, mit ſeinem
klaren Griechenauge, Alles ſieht, das Dunkle
und das Helle, nirgends die Dinge mit ſeiner
Gemuͤthsſtimmung kolorirt, und uns Land und
Menſchen ſchildert, in den wahren Umriſſen und
wahren Farben, womit ſie Gott umkleidet.

Das iſt ein Verdienſt Goethes, das erſt ſpaͤ¬
tere Zeiten erkennen werden; denn wir, die
wir meiſt alle krank ſind, ſtecken viel zu ſehr
in unſeren kranken, zerriſſenen, romantiſchen
Gefuͤhlen, die wir aus allen Laͤndern und Zeit¬
altern zuſammengeleſen, als daß wir unmittel¬
bar ſehen koͤnnten, wie geſund, einheitlich und
plaſtiſch ſich Goethe in ſeinen Werken zeigt. Er
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[63/0071] tung oder durch fremde Vermittelung, das Land Italien kennen, und dabey ſo leicht bemerken, wie jeder daſſelbe mit ſubjektiven Augen anſieht, dieſer mit Archenhoͤlzern unmuthigen Augen, die nur das Schlimme ſehen, jener mit begeiſter¬ ten Corinna-Augen, die uͤberall nur das Herrliche ſehen, waͤhrend Goethe, mit ſeinem klaren Griechenauge, Alles ſieht, das Dunkle und das Helle, nirgends die Dinge mit ſeiner Gemuͤthsſtimmung kolorirt, und uns Land und Menſchen ſchildert, in den wahren Umriſſen und wahren Farben, womit ſie Gott umkleidet. Das iſt ein Verdienſt Goethes, das erſt ſpaͤ¬ tere Zeiten erkennen werden; denn wir, die wir meiſt alle krank ſind, ſtecken viel zu ſehr in unſeren kranken, zerriſſenen, romantiſchen Gefuͤhlen, die wir aus allen Laͤndern und Zeit¬ altern zuſammengeleſen, als daß wir unmittel¬ bar ſehen koͤnnten, wie geſund, einheitlich und plaſtiſch ſich Goethe in ſeinen Werken zeigt. Er ſelbſt merkt es eben ſo wenig; in ſeiner naiven

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/71>, abgerufen am 22.11.2024.