jenem Bilde. Um ein anderes Beyspiel zu er¬ wähnen: im Hause eines Geldwechslers, dessen geschäftführende Frau das Gepräge der Mün¬ zen immer am sorgfältigsten betrachtet, fand ich, daß die Kinder in ihren Gesichtern eine er¬ staunliche Aehnlichkeit hatten mit den größten Monarchen Europa's, und wenn sie alle bey¬ sammen waren und mit einander stritten, glaubte ich einen kleinen Congreß zu sehen.
Deßhalb ist das Gepräge der Münzen kein gleichgültiger Gegenstand für den Politiker. Da die Leute das Geld so innig lieben und ge¬ wiß liebevoll betrachten, so bekommen die Kin¬ der sehr oft die Züge des Landesfürsten, der darauf geprägt ist, und der arme Fürst kommt in den Verdacht, der Vater seiner Untertha¬ nen zu seyn. Die Bourbonen haben ihre guten Gründe, die Napoleonsd'or einzuschmelzen; sie wollen nicht mehr unter ihren Franzosen so viele Napoleonsköpfe sehen. Preußen hat es in der Münzpolitik am weitesten gebracht, man
jenem Bilde. Um ein anderes Beyſpiel zu er¬ waͤhnen: im Hauſe eines Geldwechſlers, deſſen geſchaͤftfuͤhrende Frau das Gepraͤge der Muͤn¬ zen immer am ſorgfaͤltigſten betrachtet, fand ich, daß die Kinder in ihren Geſichtern eine er¬ ſtaunliche Aehnlichkeit hatten mit den groͤßten Monarchen Europa's, und wenn ſie alle bey¬ ſammen waren und mit einander ſtritten, glaubte ich einen kleinen Congreß zu ſehen.
Deßhalb iſt das Gepraͤge der Muͤnzen kein gleichguͤltiger Gegenſtand fuͤr den Politiker. Da die Leute das Geld ſo innig lieben und ge¬ wiß liebevoll betrachten, ſo bekommen die Kin¬ der ſehr oft die Zuͤge des Landesfuͤrſten, der darauf gepraͤgt iſt, und der arme Fuͤrſt kommt in den Verdacht, der Vater ſeiner Untertha¬ nen zu ſeyn. Die Bourbonen haben ihre guten Gruͤnde, die Napoleonsd'or einzuſchmelzen; ſie wollen nicht mehr unter ihren Franzoſen ſo viele Napoleonskoͤpfe ſehen. Preußen hat es in der Muͤnzpolitik am weiteſten gebracht, man
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jenem Bilde. Um ein anderes Beyſpiel zu er¬
waͤhnen: im Hauſe eines Geldwechſlers, deſſen
geſchaͤftfuͤhrende Frau das Gepraͤge der Muͤn¬
zen immer am ſorgfaͤltigſten betrachtet, fand ich,
daß die Kinder in ihren Geſichtern eine er¬
ſtaunliche Aehnlichkeit hatten mit den groͤßten
Monarchen Europa's, und wenn ſie alle bey¬
ſammen waren und mit einander ſtritten, glaubte
ich einen kleinen Congreß zu ſehen.
Deßhalb iſt das Gepraͤge der Muͤnzen kein
gleichguͤltiger Gegenſtand fuͤr den Politiker. Da
die Leute das Geld ſo innig lieben und ge¬
wiß liebevoll betrachten, ſo bekommen die Kin¬
der ſehr oft die Zuͤge des Landesfuͤrſten, der
darauf gepraͤgt iſt, und der arme Fuͤrſt kommt
in den Verdacht, der Vater ſeiner Untertha¬
nen zu ſeyn. Die Bourbonen haben ihre guten
Gruͤnde, die Napoleonsd'or einzuſchmelzen; ſie
wollen nicht mehr unter ihren Franzoſen ſo
viele Napoleonskoͤpfe ſehen. Preußen hat es
in der Muͤnzpolitik am weiteſten gebracht, man
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/62>, abgerufen am 24.11.2024.
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