unserer Zeit. Was wir gestern bewundert, has¬ sen wir heute, und morgen vielleicht verspotten wir es mit Gleichgültigkeit.
Auf einem gewissen Standpunkte ist alles gleich groß und gleich klein, und an die großen Europäischen Zeitverwandlungen werde ich erin¬ nert, indem ich den kleinen Zustand unserer ar¬ men Insulaner betrachte. Auch diese stehen an der Grenze einer solchen neuen Zeit, und ihre alte Sinneseinheit und Einfalt wird gestört durch das Gedeihen des hiesigen Seebades, in¬ dem sie dessen Gästen etwas Neues ablauschen, was sie nicht mit ihrer altherkömmlichen Lebens¬ weise zu vereinen wissen. Stehen sie des Abends vor den erleuchteten Fenstern des Conversa¬ zionshauses, und betrachten dort die Verhand¬ lungen der Herren und Damen, die verständ¬ lichen Blicke, die begehrlichen Grimassen, das lüsterne Tanzen, das vergnügte Schmausen, das habsüchtige Spielen u. s. w. so bleibt dieses nicht ohne schlimme Folgen für diese Menschen,
unſerer Zeit. Was wir geſtern bewundert, haſ¬ ſen wir heute, und morgen vielleicht verſpotten wir es mit Gleichguͤltigkeit.
Auf einem gewiſſen Standpunkte iſt alles gleich groß und gleich klein, und an die großen Europaͤiſchen Zeitverwandlungen werde ich erin¬ nert, indem ich den kleinen Zuſtand unſerer ar¬ men Inſulaner betrachte. Auch dieſe ſtehen an der Grenze einer ſolchen neuen Zeit, und ihre alte Sinneseinheit und Einfalt wird geſtoͤrt durch das Gedeihen des hieſigen Seebades, in¬ dem ſie deſſen Gaͤſten etwas Neues ablauſchen, was ſie nicht mit ihrer altherkoͤmmlichen Lebens¬ weiſe zu vereinen wiſſen. Stehen ſie des Abends vor den erleuchteten Fenſtern des Converſa¬ zionshauſes, und betrachten dort die Verhand¬ lungen der Herren und Damen, die verſtaͤnd¬ lichen Blicke, die begehrlichen Grimaſſen, das luͤſterne Tanzen, das vergnuͤgte Schmauſen, das habſuͤchtige Spielen u. ſ. w. ſo bleibt dieſes nicht ohne ſchlimme Folgen fuͤr dieſe Menſchen,
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unſerer Zeit. Was wir geſtern bewundert, haſ¬
ſen wir heute, und morgen vielleicht verſpotten
wir es mit Gleichguͤltigkeit.
Auf einem gewiſſen Standpunkte iſt alles
gleich groß und gleich klein, und an die großen
Europaͤiſchen Zeitverwandlungen werde ich erin¬
nert, indem ich den kleinen Zuſtand unſerer ar¬
men Inſulaner betrachte. Auch dieſe ſtehen an
der Grenze einer ſolchen neuen Zeit, und ihre
alte Sinneseinheit und Einfalt wird geſtoͤrt
durch das Gedeihen des hieſigen Seebades, in¬
dem ſie deſſen Gaͤſten etwas Neues ablauſchen,
was ſie nicht mit ihrer altherkoͤmmlichen Lebens¬
weiſe zu vereinen wiſſen. Stehen ſie des Abends
vor den erleuchteten Fenſtern des Converſa¬
zionshauſes, und betrachten dort die Verhand¬
lungen der Herren und Damen, die verſtaͤnd¬
lichen Blicke, die begehrlichen Grimaſſen, das
luͤſterne Tanzen, das vergnuͤgte Schmauſen, das
habſuͤchtige Spielen u. ſ. w. ſo bleibt dieſes
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/58>, abgerufen am 25.11.2024.
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