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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

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wir wissen auch, daß ein Glück, das wir der
Lüge verdanken, kein wahres Glück ist, und daß
wir, in den einzelnen zerrissenen Momenten
eines gottgleicheren Zustandes, einer höheren
Geisteswürde, mehr Glück empfinden können, als
in den lang hinvegetirten Jahren eines dumpfen
Köhlerglaubens.

Auf jeden Fall war jene Kirchenherrschaft
eine Unterjochung der schlimmsten Art. Wer
bürgte uns für die gute Absicht, wie ich sie eben
ausgesprochen? Wer kann beweisen, daß sich
nicht zuweilen eine schlimme Absicht beymischte?
Rom wollte immer herrschen, und als seine Le¬
gionen fielen, sandte es Dogmen in die Provin¬
zen. Wie eine Riesenspinne saß Rom im Mit¬
telpunkte der lateinischen Welt und überzog sie
mit seinem unendlichen Gewebe. Generationen
der Völker lebten darunter ein beruhigtes Leben,
indem sie das für einen nahen Himmel hielten,
was bloß römisches Gewebe war; nur der hö¬
herstrebende Geist, der dieses Gewebe durch¬

wir wiſſen auch, daß ein Gluͤck, das wir der
Luͤge verdanken, kein wahres Gluͤck iſt, und daß
wir, in den einzelnen zerriſſenen Momenten
eines gottgleicheren Zuſtandes, einer hoͤheren
Geiſteswuͤrde, mehr Gluͤck empfinden koͤnnen, als
in den lang hinvegetirten Jahren eines dumpfen
Koͤhlerglaubens.

Auf jeden Fall war jene Kirchenherrſchaft
eine Unterjochung der ſchlimmſten Art. Wer
buͤrgte uns fuͤr die gute Abſicht, wie ich ſie eben
ausgeſprochen? Wer kann beweiſen, daß ſich
nicht zuweilen eine ſchlimme Abſicht beymiſchte?
Rom wollte immer herrſchen, und als ſeine Le¬
gionen fielen, ſandte es Dogmen in die Provin¬
zen. Wie eine Rieſenſpinne ſaß Rom im Mit¬
telpunkte der lateiniſchen Welt und uͤberzog ſie
mit ſeinem unendlichen Gewebe. Generationen
der Voͤlker lebten darunter ein beruhigtes Leben,
indem ſie das fuͤr einen nahen Himmel hielten,
was bloß roͤmiſches Gewebe war; nur der hoͤ¬
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[48/0056] wir wiſſen auch, daß ein Gluͤck, das wir der Luͤge verdanken, kein wahres Gluͤck iſt, und daß wir, in den einzelnen zerriſſenen Momenten eines gottgleicheren Zuſtandes, einer hoͤheren Geiſteswuͤrde, mehr Gluͤck empfinden koͤnnen, als in den lang hinvegetirten Jahren eines dumpfen Koͤhlerglaubens. Auf jeden Fall war jene Kirchenherrſchaft eine Unterjochung der ſchlimmſten Art. Wer buͤrgte uns fuͤr die gute Abſicht, wie ich ſie eben ausgeſprochen? Wer kann beweiſen, daß ſich nicht zuweilen eine ſchlimme Abſicht beymiſchte? Rom wollte immer herrſchen, und als ſeine Le¬ gionen fielen, ſandte es Dogmen in die Provin¬ zen. Wie eine Rieſenſpinne ſaß Rom im Mit¬ telpunkte der lateiniſchen Welt und uͤberzog ſie mit ſeinem unendlichen Gewebe. Generationen der Voͤlker lebten darunter ein beruhigtes Leben, indem ſie das fuͤr einen nahen Himmel hielten, was bloß roͤmiſches Gewebe war; nur der hoͤ¬ herſtrebende Geiſt, der dieſes Gewebe durch¬

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/56>, abgerufen am 25.11.2024.