Die grauen Nachmittagswolken Senken sich tiefer hinab auf das Meer, Das ihnen dunkel entgegensteigt, Und zwischendurch jagt das Schiff.
Seekrank sitz' ich noch immer am Mastbaum Und mache Betrachtungen über mich selber, Uralte, aschgraue Betrachtungen, Die schon der Vater Loth gemacht, Als er des Guten zu viel genossen, Und sich nachher so übel befand. Mitunter denk' ich auch alter Geschichten: Wie kreuzbezeichnete Pilger der Vorzeit, Auf stürmischer Meerfahrt, das trostreiche Bildniß Der heiligen Jungfrau gläubig küßten; Wie kranke Ritter, in solcher Seenoth, Den lieben Handschuh ihrer Dame
X. Seekrankheit.
Die grauen Nachmittagswolken Senken ſich tiefer hinab auf das Meer, Das ihnen dunkel entgegenſteigt, Und zwiſchendurch jagt das Schiff.
Seekrank ſitz' ich noch immer am Maſtbaum Und mache Betrachtungen uͤber mich ſelber, Uralte, aſchgraue Betrachtungen, Die ſchon der Vater Loth gemacht, Als er des Guten zu viel genoſſen, Und ſich nachher ſo uͤbel befand. Mitunter denk' ich auch alter Geſchichten: Wie kreuzbezeichnete Pilger der Vorzeit, Auf ſtuͤrmiſcher Meerfahrt, das troſtreiche Bildniß Der heiligen Jungfrau glaͤubig kuͤßten; Wie kranke Ritter, in ſolcher Seenoth, Den lieben Handſchuh ihrer Dame
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X.
Seekrankheit.
Die grauen Nachmittagswolken
Senken ſich tiefer hinab auf das Meer,
Das ihnen dunkel entgegenſteigt,
Und zwiſchendurch jagt das Schiff.
Seekrank ſitz' ich noch immer am Maſtbaum
Und mache Betrachtungen uͤber mich ſelber,
Uralte, aſchgraue Betrachtungen,
Die ſchon der Vater Loth gemacht,
Als er des Guten zu viel genoſſen,
Und ſich nachher ſo uͤbel befand.
Mitunter denk' ich auch alter Geſchichten:
Wie kreuzbezeichnete Pilger der Vorzeit,
Auf ſtuͤrmiſcher Meerfahrt, das troſtreiche Bildniß
Der heiligen Jungfrau glaͤubig kuͤßten;
Wie kranke Ritter, in ſolcher Seenoth,
Den lieben Handſchuh ihrer Dame
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/39>, abgerufen am 16.02.2025.
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