verkrüppelt, und die vier großen Pappeln, die mir sonst wie grüne Riesen erschienen, waren klein geworden. Einige hübsche Mädchen gin¬ gen spatzieren, buntgeputzt, wie wandelnde Tul¬ pen. Und diese Tulpen hatte ich gekannt, als sie noch kleine Zwiebelchen waren; denn ach! es waren ja Nachbarskinder, womit ich einst "Prinzessin im Thurme" gespielt hatte. Aber die schönen Jungfrauen, die ich einst als blü¬ hende Rosen gekannt, sah ich jetzt als verwelkte Rosen, und in manche hohe Stirne, deren Stolz mir einst das Herz entzückte, hatte Sa¬ turn mit seiner Sense tiefe Runzeln eingeschnit¬ ten. Jetzt erst, aber ach! viel zu spät, ent¬ deckte ich, was der Blick bedeuten sollte, den sie einst dem schon jünglinghaften Knaben zuge¬ worfen; ich hatte unterdessen in der Fremde manche Parallelstellen in schönen Augen bemerkt. Tief bewegte mich das demüthige Hutabnehmen eines Mannes, den ich einst reich und vornehm gesehen, und der seitdem zum Bettler herab¬
verkruͤppelt, und die vier großen Pappeln, die mir ſonſt wie gruͤne Rieſen erſchienen, waren klein geworden. Einige huͤbſche Maͤdchen gin¬ gen ſpatzieren, buntgeputzt, wie wandelnde Tul¬ pen. Und dieſe Tulpen hatte ich gekannt, als ſie noch kleine Zwiebelchen waren; denn ach! es waren ja Nachbarskinder, womit ich einſt “Prinzeſſin im Thurme” geſpielt hatte. Aber die ſchoͤnen Jungfrauen, die ich einſt als bluͤ¬ hende Roſen gekannt, ſah ich jetzt als verwelkte Roſen, und in manche hohe Stirne, deren Stolz mir einſt das Herz entzuͤckte, hatte Sa¬ turn mit ſeiner Senſe tiefe Runzeln eingeſchnit¬ ten. Jetzt erſt, aber ach! viel zu ſpaͤt, ent¬ deckte ich, was der Blick bedeuten ſollte, den ſie einſt dem ſchon juͤnglinghaften Knaben zuge¬ worfen; ich hatte unterdeſſen in der Fremde manche Parallelſtellen in ſchoͤnen Augen bemerkt. Tief bewegte mich das demuͤthige Hutabnehmen eines Mannes, den ich einſt reich und vornehm geſehen, und der ſeitdem zum Bettler herab¬
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verkruͤppelt, und die vier großen Pappeln, die
mir ſonſt wie gruͤne Rieſen erſchienen, waren
klein geworden. Einige huͤbſche Maͤdchen gin¬
gen ſpatzieren, buntgeputzt, wie wandelnde Tul¬
pen. Und dieſe Tulpen hatte ich gekannt, als
ſie noch kleine Zwiebelchen waren; denn ach!
es waren ja Nachbarskinder, womit ich einſt
“Prinzeſſin im Thurme” geſpielt hatte. Aber
die ſchoͤnen Jungfrauen, die ich einſt als bluͤ¬
hende Roſen gekannt, ſah ich jetzt als verwelkte
Roſen, und in manche hohe Stirne, deren
Stolz mir einſt das Herz entzuͤckte, hatte Sa¬
turn mit ſeiner Senſe tiefe Runzeln eingeſchnit¬
ten. Jetzt erſt, aber ach! viel zu ſpaͤt, ent¬
deckte ich, was der Blick bedeuten ſollte, den
ſie einſt dem ſchon juͤnglinghaften Knaben zuge¬
worfen; ich hatte unterdeſſen in der Fremde
manche Parallelſtellen in ſchoͤnen Augen bemerkt.
Tief bewegte mich das demuͤthige Hutabnehmen
eines Mannes, den ich einſt reich und vornehm
geſehen, und der ſeitdem zum Bettler herab¬
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/222>, abgerufen am 25.11.2024.
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